Werke aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern und Leihgaben zeigen in der Ausstellung «Und die alten Formen stürzen ein», was sich um 1800 in der Malerei wandelte. Im Kielwasser der Revolution wurde die Luzerner Kunstgesellschaft gegründet.
Romantische Landschaften, die nun als richtige Malerei gelten. Der Künstler, der seine Identität sucht und sich porträtiert. Literarische Figuren und Alltagsszenen, die gepinselt werden. Das kulturelle Erbe der Römer und Griechen, an das erinnert wird. Willkommen in der Umbruchzeit des ausgehenden 18., beginnenden 19. Jahrhunderts! In der Ausstellung «Und die alten Formen stürzen ein» blickt das Kunstmuseum Luzern zurück auf seine Wurzeln.
Denn vor 200 Jahren, am 11. Mai 1819, gründete sich die Luzerner Kunstgesellschaft. Das ist der heutige Trägerverein des Kunstmuseums. Anfangs war es vor allem eine Interessengemeinschaft von «Künstlern und Kunstfreunden», wie die Mitglieder immer noch in den Statuten heissen. Zu ihrem Hauptprojekt wurde bald die Schaffung eines Kunstmuseums in Luzern. Nach einer Odyssee eröffnete es 1933 im neuen Kunst- und Kongresshaus am See.
Die Luzerner Kunstgesellschaft war nach Zürich, Basel und Bern die vierte städtische Kunstgesellschaft der Schweiz. Hervorgegangen war sie aus der «Plastischen Sektion» der «Grossen Gesellschaft aus Freunden der Wissenschaften und der Künste» von Vinzenz Rüttimann, Luzerner Schultheiss. Während die meisten Sektionen nach der Gründung 1817 bald einschliefen, lockten die Treffen der Künstler auch «fachlich wenig interessierte, dafür umso unterhaltungshungrigere Mitglieder» an, wie es in einer Schrift des Stadtarchivs heisst.
Folglich gab es strengere Aufnahmebedingungen und Pflichten für die Mitglieder und schliesslich die Abspaltung als Verein. Auch wenn die Treffen im wahrsten Sinn des Namens gesellig und oft auch mit reichlich Weinkonsum verbunden waren, war der Anspruch ambitioniert: die bildenden Künste grundlegend zu fördern. Dazu gehörte auch die künstlerische Praxis, Ausbildung, Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit. Grundidee dahinter war, die ganze Bevölkerung zu bilden und zu vernünftigen Individuen zu erziehen. Die Kunst war in den Augen des aufstrebenden Bürgertums und seiner Vordenker der Aufklärung ein wichtiges Mittel zur «moralischen Veredelung» des Menschen.
Der Bruch mit den Konventionen schlug sich besonders in der Porträtmalerei nieder. Dieses Genre thematisiert die Ausstellung, die Sammlungswerke und Leihgaben umfasst, am ausführlichsten. Zwischen Bildern vor und nach der Französischen Revolution sind die Unterschiede leicht zu entdecken. Etwa bei Familienporträts. Auf einem Gemälde des Nidwaldners Johann Melchior Wyrsch von 1782 sind Kinder kleine Erwachsene, wie Puppen drapiert. Die Tochter trägt bereits Perücke.
Gegen 1800 dann, im Kielwasser der Revolution und ihren politischen Folgen für die nun französisch regierte Helvetische Republik, malt der Luzerner Josef Reinhard eine bürgerliche Familie aus Neuenburg in schlichteren Kleidern. Die Kinder schmiegen sich vertraut an ihre Eltern. Adelige Attribute sind verschwunden, nur die Strumpfhose des Vaters wirkt noch nicht an die «Sansculotte»-Mode der Revolutionäre angepasst. Zeichnungen von Reinhards Tochter Clara, die ebenfalls ausgestellt sind, zeigen zudem spielende Kinder.
Und noch deutlicher von den Reichen abgegrenzt, als Handwerker mit Hammer und Meissel, inszeniert sich auf einem anderen Porträt von Josef Reinhard im Jahr 1821 der deutsche Bildhauer Lukas Ahorn. Modell sitzt er mit seiner Familie auf einer Pranke des Löwendenkmals. Bei diesem inzwischen touristischen Wahrzeichen hatte die Luzerner Kunstgesellschaft entscheidend ihre Finger im Spiel. Aber das ist eine andere Geschichte.
«Und die alten Formen stürzen ein» im Kunstmuseum Luzern läuft bis am 11. November. Doppelvernissage mit «News! Erwerbungen im Kontext der Sammlung»: Freitag, 8. März, 18.30 Uhr.