Das Designfestival überschwemmt Luzern mit Eindrücken und Kontrasten. Mit den Schwerpunkten zu China und Tschechien haben wir zwei besonders bereichernde Gegensätze besucht. Und eine Siegerin gibt es auch noch.
Für alle elf Ausstellungen des «Weltformat»-Festivals passt ein Zitat von Milton Glaser, einer der berühmtesten Grafik-Künstler der USA: «Es gibt drei Antworten auf ein Stück Design: ja, nein und wow! Das Wow ist unser Ziel.»
Unter den vielen Wow-Effekten des über ganz Luzern verteilten Festivals gehört auch das Plakat der Polin Kamila Jasińska, das den Weltformat-Newcomer-Award erhält und sich somit gegen 1230 Einreichungen zum Festivalthema «Now, what?» durchgesetzt hat. Die Künstlerin dazu: «Wir streben dauernd nach Zielen, und wenn wir diese dann erreichen, ist da dieser Moment des Zweifels, dieses ‹Und jetzt?!›. Das zögernde Innehalten erinnert mich an die überraschten Gesichter von Hunden, die es endlich schaffen, ihren eigenen Schwanz zu fangen.»
Ein guter Designer hat die Perfektion erreicht, wenn nichts mehr da ist, das man wegnehmen könnte. Diese Aussage des Poeten Antoine de Saint-Exupéry wäre der perfekte Übertitel für die Ausstellung «Chinesische Bindung». Im Kulturkeller Winkel (Winkelriedstrasse 12) öffnen sich im dunklen Raume Einblicke in eine minimalistische Welt, wie sie bei uns gar nie existierte.
Schlicht auf einem schwarzen Tisch ausgelegt, überlassen es die durch traditionelle chinesische Fadenbindung zusammengehefteten Bücher den Entdeckungslustigen selber, in diese fast märchenhafte Welt einzutauchen. Etwa im Kunstwerk «XX», das 2016 den Preis für das schönste chinesische Buch erhielt. Eine Buchdesignerin und eine Architektin haben hier ein reduziertes Wunder geschaffen aus Scherenschnitten, kleinen Zeichnungen und Grafiken. Vieles ist weiss. Leere Seiten lassen der eigenen Erfindungslust Weite und Raum.
«Chinesische Leser geniessen gerne Bücher, die nicht so bunt oder überladen daherkommen», erklärt Jianping He, der Kurator dieser Ausstellung. «Die Zen-Kultur bringt einen gewissen Minimalismus mit sich.» In der Ausstellung will er diese spezielle Buchkunst, die alte Traditionen und modernes Design verbindet, den Europäern näherbringen. «Das chinesische Reispapier ist sehr dünn, es wird deshalb von Hand zum Buch gebunden».
«Es ist eine Technik, die sich schon in der Ming-Zeit, das heisst im 11. Jahrhundert, entwickelt hat.» In China gibt es heute noch viele Handwerksbetriebe, sodass eine solch aufwendige Gestaltung möglich ist. Die Ausstellung zeigt jedoch nur moderne, von Designern entworfene Bücher mit Verbindung zu dieser Tradition.
Viele von ihnen weisen auch westliche Elemente auf wie eine sehr klare Formsprache. Vertreten sind Einflüsse der Basler Designschule, etwa die Gliederung des Textes in drei Kolonnen. «Verglichen mit dem normalen Büchermarkt sind wir auch in China eine Randerscheinung», bedauert Jianping He. «Aber wir sind ein grosses Land, sodass jedes Jahr eine stattliche Anzahl dieser handgebundenen Bücher entsteht. Halt oft in einer kleinen Auflage von 2000 bis 3000.»
Viele Details gibt es zu entdecken. Beim neuesten Buch von Jianping He sind die Seiten ausgefranst. In einem anderen kontrastiert er schwarze Schriftzeichen mit weissem UV-Lackdruck. Ein weiteres ist schräg gebunden. Das oft handgefertigte Papier, die in den Büchern vorkommenden unterschiedlichsten Materialien machen die Ausstellung auch zu einem taktil-sinnlichen Erlebnis.
Ein Kontrastprogramm bietet die Kunsthalle im Bourbaki. Zwar ist das Gezeigte ähnlich reduziert wie in der China-Ausstellung. Und doch ganz anders. Hier dominiert die oft kühle Typografie aus der Grafikszene Prags. Im Überblick des Kurators Ondřej Báchor dominieren Schrift und ihre Setzung auf Plakaten und Büchern. «In den 1960er- und 1970er-Jahren gab es in Tschechien viele Experimente mit der Schrift», erklärt er. «Es gab eine starke Bewegung, die Buchstaben wie Bilder in Szene setzte. Bedingt durch die kommunistische Isolation wussten die Künstler zwar, was draussen passiert. Sie mussten sich jedoch trotzdem stark nach innen konzentrieren.»
Ausgehend von Oldřich Hlavsa, quasi dem Vater dieser Bewegung, entwickelte sich die Idee von der «Schrift als Gemälde». Die Bilder der Ausstellung zeigen diesen Weg bis in die Gegenwart auf. Mit der starken Konzentration auf Schwarz und Weiss sowie der Kontrastfarbe Rot wirken die Plakate kühl und reduziert. Im Zentrum steht der starke visuelle Einschlag, oft hart und direkt. Eine scharfe Kraft, die den Zuschauer in seinen Banne zieht.
Grafikfestival "Weltformat": Noch bis Sonntag, 7. 10., www.weltformat-festival.ch