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Ein neues Buch beschreibt die Arbeitsprozesse des Luzerner Künstlers Hans Emmenegger – und geht dabei in fast schon detektivischer Manier bis in die kleinsten Details.
Ein kleines Büchlein, olivgrün und in Leinen gebunden, etwa 200 Seiten dick: 2012 stiess die Kunsttechnologin Karoline Beltinger im Nachlass des Luzerner Malers Hans Emmenegger (1866–1940) auf diesen «Schatz», wie sie den Fund nennt.
Es ist das Dokument eines Künstlers, der seine Arbeitsweise von 1901 bis 1905 minutiös unter die Lupe genommen hat. In handgeschriebenen Notizen kommentierte er Erfolge und Misserfolge, hielt fest, welche Farben und Leinwände er verwendete und was er in einem Bild anpasste oder übermalte.
Emmenegger wollte die Wirkung seiner Bilder verbessern, und er sorgte sich – wie viele seiner Zeitgenossen – um deren Haltbarkeit. Farben bekamen Risse, fielen von der Leinwand ab, verfärbten sich über die Jahre. Emmenegger wollte festhalten, was dagegen half – und welche Fehler er vermeiden sollte.
Emmenegger kam 1866 als Sohn eines Glasfabrikanten zur Welt und wuchs in Reussbühl auf. Er besuchte die Kunstgewerbeschule in Luzern, studierte später in Paris und Deutschland. Zu Lebzeiten und auch danach stand Emmenegger im Schatten von Grössen wie Arnold Böcklin und Ferdinand Hodler. Emmeneger starb 1940 in Luzern. In den letzten Jahren erlebte er ein Revival: 2014 wurde er im Kunstmuseum Luzern ausgestellt, 2021 in Lausanne. (tos)
Doch warum sich mit diesen zum Teil schwer lesbaren Notizen beschäftigen, wenn man sich doch auch ohne sie an Emmeneggers Landschaftsbildern und Stillleben mit ihren kräftigen Farben und teilweise fast schon abstrakten Formen erfreuen kann?
Das Notizbuch sei ein einmaliges Dokument, schreibt Autorin Beltinger in der Einleitung des Buchs «Hans Emmenegger. ‹Maltechnik-Notizbuch› und Werkprozess 1901–1905», das kürzlich beim Verlag Scheidegger & Spiess erschienen ist. Beltinger und ihr Team am Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) haben in dreijähriger Arbeit Emmeneggers Notizen ausgewertet – und in detektivischer Forschungsarbeit sein Vorgehen als Maler rekonstruiert.
Tatsächlich bietet das Buch spannende Einblicke, wie Emmeneggers Malerleben um 1900 ausgesehen haben muss. So machte er sich auf langen Spaziergängen auf die Suche nach Sujets. Noch unter freiem Himmel fertigte er erste Studien an, die ihm dann im Atelier als Vorlage dienten. Mit einer Kamera und Notizen versuchte er ausserdem, den Eindruck, den eine Landschaft auf ihn machte, möglichst genau festzuhalten.
Seine Erkundungen führten ihn auch ins Ausland. Emmenegger reiste Anfang des 19. Jahrhunderts nach Italien, ins Tessin, aber auch in die nähere Umgebung. Auf dem Zugerberg faszinierten ihn die Sonnenflecken auf dem Waldboden ganz besonders. «Scheint besser zu werden, als alles, was ich hier gemacht», hielt er in seinem Tagebuch zur ersten Studie fest. Manchmal ging er auch härter mit sich ins Gericht: «Kolossal geschleckt» kommentierte er den Versuch, ein Bild zu verbessern.
Nicht zuletzt zeigt das Buch auch die konkrete Entstehung einiger Bilder auf. Technologische Analysen legen Vorzeichnungen frei, die sich unter den Farbschichten verstecken. Und sie machen die zum Teil vielen Veränderungen, die ein Bild bis zur endgültigen Version durchgemacht hat, sichtbar.
1905 hörte Emmenegger übrigens auf mit seinem Notizbuch. Der Nutzen stünde «in keinem Verhältnis mit der Arbeit, die es verursacht», hielt er in seinem Tagebuch fest. Kunstinteressierte und Emmenegger-Fans mögen es ihm verdanken, dass er sich die Mühe gemacht hat.
Hinweis: Emmeneggers «Maltechnik-Notizbuch» ist online einsehbar, das Buch dazu kann man auf der Website von SIK-ISEA bestellen.