Religion
Im Ramadan ist Fasten Nahrung für die Seele

Am 2. Mai feiern gläubige Muslime das Bayram-Fest zum Abschluss des Fastenmonats Ramadan. Abdulkerim Sadiku aus Emmenbrücke freut sich dieses Jahr ganz besonders auf dieses Ereignis.

Benno Bühlmann
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Der aus Mazedonien stammende muslimische Theologe Abdul­kerim Sadiku (53) sitzt vor der nach Mekka ausgerichteten Gebetsnische (Mihrab) und rezitiert singend Verse aus dem Koran in arabischer Sprache. Wir befinden uns in der bosnischen Moschee in Emmenbrücke. Es handelt sich um den grössten Gebetssaal in der Zentralschweiz, der mit prachtvollen Mosaiken verkleidet und mit einem grossen Leuchter ausgestattet ist.

Theologe Abdulkerim Sadiku in der Moschee in Emmenbrücke.

Theologe Abdulkerim Sadiku in der Moschee in Emmenbrücke.

Bild: Benno Bühlmann (20. April 2022)

In den letzten Tagen und Wochen war Sadiku fast täglich hier anzutreffen, um zusammen mit dem bosnischen Imam längere Passagen aus dem Koran vorzutragen. Denn es gehört zu den bedeutsamen Traditionen des Islam, dass während des Fastenmonats Ramadan der gesamte Koran gelesen wird.

Nahrung für die Seele

Für gläubige Muslime ist der Ramadan der heilige Monat im islamischen Festkalender. «Auch für mich ist der Ramadan von grosser Bedeutung», erklärt Adulkerim Sadiku. «Für uns stellt diese Zeit, in der wir von Sonnenaufgang bis Sonnuntergang auf Essen und Trinken, aber auch auf Rauchen und Beischlaf verzichten, den Höhepunkt des Jahres dar.» Der Sinn des Fastens habe für ihn gleichzeitig eine körperliche und eine seelische Komponente:

«Während des Fastenmonats Ramadan ernähren wir vor allem unsere Seele. Wir bekommen dadurch positive Energie und reinigen dabei sowohl unseren Körper wie auch unseren Geist»,

ist Sadiku überzeugt. Im Ramadan wird die Nacht zum Tag – und darin liegt auch das Bezeichnende des heiligen Monats: die Verkehrung der gewohnten Routine des alltäglichen Lebens und der Versuch, in der Konzentration auf die Mitte des Lebens so etwas wie paradiesische Zustände zu schaffen. Deshalb steht Abdulkerim Sadiku in diesen Tagen bereits um vier Uhr auf, um noch vor der Morgendämmerung ein kleines Frühstück einzunehmen und dann kurz vor halb fünf Uhr das rituelle Morgengebet zu verrichten.

Der erst Schluck Wasser – eine Wohltat

Nach dem Eindunkeln folgt dann jeweils das festliche Abendritual im Kreise der Familie: Beim täglichen Fastenbrechen, «Iftar» genannt, wird vorerst eine Schale mit Datteln herumgereicht. Alle kauen langsam und spülen die Früchte, die auch der Prophet Mohammed einst gegessen hat, mit Wasser hinunter. Alles geschieht bedächtig, denn der Magen bekommt zum ersten Mal seit Stunden wieder etwas zu tun. Auch das Wasser – das erste Getränk des Tages – ist eine Wohltat.

Danach folgt ein Teller Suppe und schliesslich ein festliches Nachtessen, das in der Regel im Beisein von Gästen eingenommen wird. Denn während des Ramadan kommt dem Erleben von Gemeinschaft und Gastfreundschaft eine besondere Bedeutung zu. Es gehe im Ramadan darum, einerseits den eigenen Glauben zu reflektieren, aber auch das soziale Engagement und die Solidarität mit Menschen, die unfreiwillig Hunger leiden müssen, bewusst zu pflegen.

So findet der Fastenmonat Ramadan seinen Abschluss denn auch mit dem Entrichten von Almosenspenden für die Armen in der Schweiz und überall auf der Welt sowie dem traditionellen Fest des Fastenbrechens, das in der muslimischen Gemeinschaft «id al-fitr» oder auch «Bayram» (Zuckerfest) genannt wird. In diesem Jahr wird das Fest am 2. Mai begangen – für Sadiku ist das auch deshalb ein aussergewöhnliches Ereignis, weil heuer der Beginn dieses schönen Festes erstmals mit seinem eigenen Geburtstag zusammenfällt. «Deshalb kann ich diesmal sogar doppelt Bayram feiern, was natürlich absolut einmalig ist.»

Spezialausbildung als Mediator

Abdulkerim Sadiku kann beruflich auf einen ungewöhnlichen Werdegang zurückblicken: Während 15 Jahren war er als Imam in der albanischen Moschee in Emmenbrücke tätig. Danach entschied er sich, an der Universität Bern den Studiengang «CAS Religious Care im Migrationskontext» zu absolvieren. Damit holte er sich als erster muslimischer Theologe der Zentralschweiz die entsprechende Zusatzqualifikation für seine Arbeit als Seelsorger und Mediator.

Heute ist er in Luzern als Spitalseelsorger sowie als Gefängnisseelsorger im Frauengefängnis in Dielsdorf im Einsatz und betätigt sich zudem als Mediator in Krisensituationen. «Es motiviert mich sehr, wenn ich Menschen helfen und in schwierigen Situationen für sie da sein kann», meint Sadiku, der seine neue Aufgabe mit grossem Elan wahrnimmt.

«Mein wichtigstes Ziel ist es, den Menschen den Blick für das Positive zu ermöglichen und die Hoffnung für ein gutes Leben zu stärken.»

Mit dieser Grundhaltung versucht er auch, in seiner Aufgabe als Mediator den vielfältigen Herausforderungen zu begegnen – beispielsweise wenn er bei familiären Konflikten zwischen verschiedenen Generationen zu vermitteln versucht.