Ein Domprobst ist Widmungsträger einer barocken Sonate. Es stellt sich heraus, dass sich das Stück auf dessen Namenspatron und sein Schicksal bezieht. Dies hat ein Musiker aus dem Kanton Zug herausgefunden.
Heinrich Ignaz Franz Biber (1644–1704) gehörte zu den profiliertesten Barockkomponisten Böhmens. So kam er anno 1673 zu den Ehren, für den Salzburger Domprobst und späteren Bischof zu Gurk, Polykarp von Kuenburg (1633–1675), eine Festmusik anlässlich dessen Amtseinführung zu schreiben: Die Sonata Sancti Polycarpi in C-Dur nimmt als Widmungsstück Bezug auf den Vornamen des Geehrten. Diesem wiederum stand der heilige Polykarp, Bischof von Smyrna, Pate.
Dem Zuger Musiker Richard Töngi ist es gelungen, diese 1974 zum ersten Mal in gedruckter Form herausgegebene Sonate als eigentliche Programmmusik zu identifizieren. Er ist überzeugt: «Der Komponist hat diese Sonate nicht nur als Festmusik für Bischof Polykarp von Kuenburg geschrieben, sondern er hat damit das Martyrium des heiligen Polykarp von Smyrna vertont.» Zwar gebe es weder entsprechende Notizen von Biber dazu noch sonstige historische Anmerkungen, welche dies belegen, doch für Richard Töngi ist offensichtlich, dass es sich hier um eine frühe Form von Programmmusik handelt.
Der in Worms aufgewachsene Richard Töngi kennt die Sonate seit seinem Musikstudium in Mainz. «1978 haben wir sie aufgeführt. Das Stück hat mich neugierig gemacht.» Durch sein späteres Theologiestudium fand der Zuger noch einschlägigeren Zugang zur Materie. Doch erst nach seinem Eintritt in den Ruhestand vor knapp zwei Jahren fand er die nötige Zeit, sich mit der Polykarp-Sonate eingehend zu beschäftigen. Es folgten eine intensive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen literarischen Fassungen des Polykarp-Martyriums und das akribische Abgleichen dessen Dramaturgie mit Bibers Sonate.
Polykarp von Smyrna lebte im 1. und 2. Jahrhundert nach Christus und dürfte noch direkt von den Aposteln beeinflusst gewesen sein. Nachdem Polykarp im Jahre 155 nach Rom ging, um mit dem damaligen Papst Anicetus das Osterdatum zu diskutieren, wurde er verhaftet und weigerte sich, vom Christentum abzulassen. So sollte er vor einem johlenden Publikum auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden. Die Flammen jedoch konnten ihm nichts anhaben. So wurde Polykarp schliesslich erstochen.
«Diese Abhandlung ist in Bibers Sonate wiederzuerkennen», doppelt Richard Töngi nach. Es seien mindestens sieben Szenen lautmalerisch umgesetzt. Auch die Instrumentierung mit den Trompeten als Verweis auf das Himmlische und einer gemäss Notiz Bibers zu gebrauchenden «Quartuba», die das Düstere interpretiert, ist für Töngi alles andere als zufällig gewählt. Dasselbe erkennt der Musiker in der Wahl der Taktart, die zwischen 3/2 und 2/2 variiert.
Auch einen Hinweis auf die Heilige Dreifaltigkeit findet sich nach Töngis Auffassung in diesem Muster. Er kommt zum Schluss: «All diese Erkenntnisse und Übereinstimmungen können kein Zufall sein. Bibers Festmusik zu Ehren des Salzburger Domprobstes erzählt im Grunde das tragische Ende des Bischofs von Smyrna.»
Seine aufschlussreichen Erörterungen zu Heinrich Ignaz Franz Bibers als «Festmusik» getarnte Programmmusik will Richard Töngi anlässlich von Polykarps kirchlichem Gedenktag, dem 23. Februar, der Öffentlichkeit präsentieren. Ein rund 12-köpfiges Ad-hoc-Orchester wird im Rahmen eines moderierten Erklärkonzertes die Sonata Sancti Polycarpi in der Pfarrkirche St.Jakob zu Cham interpretieren.
Sonata Sancti Polycarpi, Pfarrkirche St.Jakob Cham, am Donnerstag, 23. Februar, um 20 Uhr.