Selbstfahrende Autos werden zur Überlebensfrage für die Automobilhersteller. Nur wer künftig auch Fahrzeuge im Angebot hat, die Hindernisse dank ausgefeilter Sensortechnik von selbst umfahren und ihr Ziel mithilfe elektronischer Karten finden, kann nach Meinung von Experten langfristig im harten Wettbewerb bestehen.
Auf der weltgrössten Automobilmesse IAA in Frankfurt präsentieren die grossen Hersteller derzeit die nötige Technik für das autonome Fahren. Dieses stellt einen der wichtigen Trends in der Branche dar und dürfte die Hersteller in den nächsten Jahren in Atem halten.
Weil für das autonome Fahren jedoch enorme Investitionen nötig sind, können sich nur finanzkräftige Konzerne die Entwicklung leisten – allen voran die deutschen Premiumhersteller BMW, Daimler und Volkswagen mit seiner Tochter Audi. Weniger betuchte Hersteller sind zur Zusammenarbeit mit IT-Konzernen gezwungen.
«Das ist das Einfallstor für Google und Apple», vermutet Stefan Bratzel. Der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach glaubt, dass die GM-Tochter Opel und der französische Hersteller Peugeot sich einen Partner suchen werden, wenn sie nicht genug Geld haben, um bei dem rasanten technologischen Fortschritt mitzuhalten.
Schon länger wird vermutet, Google könnte ein selbstfahrendes Auto in grösserer Stückzahl auf den Markt bringen und sich dieses von einem Autohersteller bauen lassen. Auch bei Apple halten sich Spekulationen, der IT-Konzern könnte in den Markt für Elektroautos einsteigen.
«Ich glaube, dass die Schnelligkeit, mit der automatisierte Fahrfunktionen eingeführt werden können, ein Differenzierungsmerkmal für die Hersteller darstellt», zeigt sich Conti-Chef Elmar Degenhart überzeugt. Der Zulieferer Conti aus Hannover wirbt damit, dass Unfälle mithilfe von Fahrerassistenzsystemen künftig komplett verhindert werden könnten.
Für viele Menschen hört sich das verlockend an: Drei Viertel der Autokäufer in Deutschland sind laut einer Studie von McKinsey bereit, auf ein autonom fahrendes Auto umzusteigen – vorausgesetzt, dieses wäre nicht teurer als ein herkömmliches Fahrzeug. Entscheidend ist für viele, dass sie jederzeit die Steuerung auf Wunsch wieder selbst übernehmen können.
Einen allzeit automatisch fahrenden Wagen würde immerhin noch jeder dritte Kunde in Deutschland bevorzugen. «Wir wissen, dass die Mehrheit der Autofahrer sich wünschen würde, bei Baustellendurchfahrten auf der Autobahn assistiert fahren zu können», erläutert Conti-Chef Degenhart im Gespräch mit Reuters. Wer Angebote dieser Art nicht anbiete, habe künftig ein Problem.
«Wer sich nicht den Kundenbedürfnissen stellt, der hat schon in der Vergangenheit im Markt Schwierigkeiten gehabt», fügt Bernhard Mattes, Deutschland-Chef von Ford, hinzu. Er ist überzeugt, dass in einigen Jahren mehr oder weniger alle Hersteller autonom fahrende Autos anbieten werden.
Ein juristisches Hindernis für den Durchbruch solcher Roboterautos ist schon beiseitegeräumt worden. Die Wiener Übereinkunft für den Strassenverkehr wurde vor Kurzem gelockert. Sie erlaubt nun, dass der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug vorübergehend an einen technischen Helfer abgibt. Er muss jedoch in der Lage sein, die Kontrolle wieder zu übernehmen.
Die einzelnen Staaten müssen die neuen Regeln nun noch in Gesetze giessen. Auf der IAA wollen die Verkehrsminister der G7-Staaten dies beschleunigen. Auch danach müssen allerdings noch zahlreiche juristische Details geklärt werden, unter anderem der Datenschutz. Die Frage der Haftung ist ebenfalls noch ungeklärt.
Degenhart dringt darauf, dass schon bald Gesetze erlassen werden, die hochautomatisiertes Fahren auf bestimmten Autobahnabschnitten erlauben. Das könnte seiner Ansicht nach schon ab 2020 möglich sein. «Vollautomatisiertes Fahren erwarten wir ab 2025 zuerst in speziellen Fahrsituationen auf Autobahnen.» Vollautomatisiert bedeutet, dass sich der Fahrer komplett vom Steuer abwenden kann, während das Auto alleine durch den Verkehr steuert.
Auch Daimler dringt darauf, dass der Weg für selbstfahrenden Autos möglichst bald freigemacht wird. Der Stuttgarter Autokonzern, der die neue Technik schon erprobt hat, erwägt eine ganze Flotte von Roboterautos auf die Strasse zu schicken. «Das ist ein konkretes Entwicklungsziel», sagte Konzernchef Dieter Zetsche am Rande der IAA. Daimler bietet mit car2go bereits Carsharing an und könnte dieses Angebot mithilfe von Roboterautos erweitern.
Denkbar wäre etwa, dass die Stuttgarter mit einer Flotte von selbstfahrenden Kleinwagen dem Taxi-Appanbieter Uber Paroli bieten. Während der finanzkräftige Taxikonkurrenz aus den USA bislang Fahrer einsetzt, könnten Daimlers Stadtflitzer die Kunden automatisch von zuhause abholen und an ihre gewünschten Ziele bringen. Auch Uber soll an einem selbstfahrenden Auto arbeiten. Der Wettlauf um die Zukunft der Automobilindustrie ist damit eröffnet.
sda