Die letzte Station unserer kulinarischen Reise durch die sechs Kantone der Zentralschweiz ist Luzern. Die Heimat unseres Kochprofis. Es versteht sich von selbst, dass er da etwas ausholen muss.
Luzern, mein Heimatkanton. Da, wo unter anderem Lebkuchen, Birnenweggen, Chässuppe, Schnitz und Drunder, Gnagi oder Dörrbohnen beheimatet sind. Und die legendäre Lozärner Chügelipastete, auch Fritschipastete genannt. Um das gleich zu klären: In der Chügelipastete hat es zwar schon auch Fleischchügeli drin, ihren Namen hat sie aber wegen der Kugelform der Pas-tete. Mehr dazu später im Text.
Zunächst erlaube ich mir, etwas auszuholen. Zurück zu meinen Luzerner Wurzeln. Zur Welt kam ich in den Jahren des Zweiten Weltkriegs. Am 7. Juli 1941 schenkte meine Mutter gleich zwei Buben das Leben. Morgens zwischen 5.50 und 5.55 Uhr. Vater war im Militär. Das doppelte Mutterglück war von kurzer Dauer. Mein Bruder Rainer starb nach einem Tag. Ich überlebte als Sohn des Luzerners Gottfried Josef Wilhelm Huber und der St. Galler Rheintalerin Josefina Elisabetha, geborene Hasler.
Die Welt war damals ganz und gar nicht in Ordnung. Ich erinnere mich an nächtliches Sirenengeheul. Was das bedeutete, wurde mir erst später klar. Auch noch im Gehör habe ich die Glocken der Pauluskirche, die 1945 endlich den von meinen Eltern herbeigesehnten Frieden einläuteten. Ganz in der Nähe, an der Habsburgerstrasse 44, verbrachte ich meine ersten Lebensjahre, auf dem Wesemlin dann meine Jugendzeit.
Schon sehr früh angetan hatten es mir die Düfte aus Mutters Küche. Hat das meinen Weg vorgezeichnet? Im Luzerner Hotel Continental an der Morgartenstrasse lernte ich Koch und im Luzerner «Palace» das kreative Kochen. Und an der Hotelfachschule das Gastgeben – und meine Gertrude kennen.
Obwohl wir nicht in Luzern Häuser führten, war mir dieser Kanton immer auch kulinarische Heimat mit all ihren Facetten. Damit alles etwas geordnet daherkommt, hier ein kleiner Streifzug durch die Ämter unseres Kantons, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Kein anderes Luzerner Amt kann mit derselben Vielfalt an Produkten aufwarten wie diese «eigene Welt» Entlebuch: Joghurts aus Ziegen-, Schaf- und Kuhmilch. Fleisch und Würste von Hof- und Wildtieren. Forellen frisch und geräuchert. Statt Wein aus Trauben gibts einen süffigen Tropfen aus Erdbeeren von Franz Schnider vom Birkenhof, Sörenberg (www.birkenkof.ch).
Wenns um edle Brände geht, ist die Distillerie Studer in Escholzmatt erste Adresse (www.distillery.ch). In der gleichen Gemeinde zelebriert «Hexer»-Koch Stefan Wiesner im «Rössli» seine avantgardistische Naturküche, etwa mit Gold, Holz und Stein (www.stefanwiesner.ch). Gehext wurde aber offenbar immer schon ein wenig: Alteingesessene erzählen, dass fürs Entlebucher Kafi mit Träsch auf Bauernhöfen oft ein Tannenzweiglein mitgebraut wurde.
Zum benachbarten Amt Willisau gehören, klar, die beinharten Willisauer Ringli, erfunden übrigens von einem Aargauer. Ursprungshaus ist die heutige Confiserie Amrein. Die Ringli gibts dort seit 1850 (www.willisauerringli.ch).
Für mich gibt es drei Genussvarianten: Man zerbricht die Ringli in drei bis vier Stücke. Profis machen das mit dem Ellenbogen. Dann lässt man die Stückchen langsam auf der Zunge vergehen. Oder ich tunke die Ringlistücke in einen Vieille Prune oder in Lozärner Kafi. Probieren geht über hinterfragen. Oder ich verarbeite die eingeweichten Willisauer Ringli zu einem herrlichen Halbgefrorenen-Dessert (Parfait).
Nicht zu vergessen auch im Amt Willisau eine Distillerie: Die Diwisa gibts seit 98 Jahren, ihre Produkte sind immer wieder ganz vorne dabei, wenn Spirituosen prämiert werden (www.diwisa.ch).
In Meierskappel entdeckte ich die seit Anfang der 1930er-Jahre bestehende «Chäshütte», wo in einer einst reinen Emmentaler-Käserei heute Kuh- und Büffelmilch-Produkte, Schafmozzarella und so weiter in Top-Qualität hergestellt werden (www.chaes-huette.ch).
Dass die Region rund um den Sempachersee mit den Sempacher Ballen (Grossfelchen) berühmt geworden ist, steht ausser Zweifel. Für mich die Besten gibt es klassisch gebraten im Sempacher «Adler» – oder im Römertopf geschmort in der «Balm» in Meggen, denn natürlich sind auch die Gemeinden am Vierwaldstättersee auf Fische spezialisiert.
Dazu passend sind Luzerner Weine, die zu Recht mehr und mehr Liebhaber finden. Gewürdigt an dieser Stelle wurden sie schon mehrfach. Eine gute Übersicht bietet www.luzerner-weine.ch.
Als löbliches Beispiel toller regionaler Produktevermarktung möchte ich auf www.michelsamt.ch hinweisen. Rund um Beromünster geht es da speziell auf eine Käsesortentour mit teils originellen Namen wie Landessänder, Wiesengrana oder Graf Bero. Auch affinierte Emmentaler sind im Angebot, ferner Getreideprodukte, Öl und Apfelschaumwein.
In Sursee ist die Gans Trumpf. Zum einen die Honiggans, ein Biber-Gebäck aus Honig-Haselnussteig, gefüllt mit Mandelmasse. Weil patentiert, darf es nur von einer Konditorei hergestellt werden (www.stockerbeck.ch).
Die fleischige Martinigans aus dem Ofen, knusprig gebraten und am Martinstag 11. 11. aufgetischt, schmeckt besonders gut, wenn man das Geflügel im Schulerhof, Grosswangen, beizeiten bestellt (www.schulerhof.ch).
Zurück in meine Heimatstadt. Wo die originale Chügelipastete zu Hause ist. Das Rezept ist bei Kochbuchautoren, Beizern und Hobbyköchen – mit oder ohne Rahm, mit Cognac oder Kirsch? – ein kulinarischer Zankapfel. Womöglich haben, wie immer in solchen Fällen, alle ein bisschen Recht.
Die Pastete ist seit Mitte des 18. Jahrhunderts schriftlich belegt und war vermutlich das Mitbringsel eines Schweizer Offiziers in französischen Diensten. Die vielen Zutaten lassen vermuten, dass man mit der Pastete zeigen wollte, was man alles hat.
Die Luzerner Zunft zu Safran tischt die Fritschipastete jeweils an ihrem Bärteliessen auf. Safranzünftler und Fasnächtler Ferdinand Zehnder vom Traditions- und Gilde-Restaurant Lapin an der Museggstrasse 2 in Luzern hat uns das Rezept zur Verfügung gestellt: Im «Lapin» ist die Pastete ganzjährig auf der Karte – und sogar «über die Gasse» erhältlich, vakuumiert und samt Haus.