Das Darmkrebszentrum des KSB wurde 2011 als erstes in der Schweiz von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert. Seit fünf Jahren werden die geforderten Fallzahlen übertroffen. Für die Patienten bedeutet das ein hohes Mass an Sicherheit.
Von Andreas Krebs
Jährlich erkranken in der Schweiz rund 4100 Menschen neu an Darmkrebs; etwa 1700 sterben daran. Unnötigerweise, meint Antonio Nocito, Chefarzt des Darmkrebszentrums des Kantonsspitals Baden (KSB). «Viele Fälle könnte man mit einer guten Vorsorge verhindern. Denn Darmkrebs kann besser als andere Krebsarten verhütet werden», sagt er. Mit einer Darmspiegelung, der sogenannten Koloskopie, könnten Vorstufen des Darmkrebses, die Polypen, entdeckt und sicher und einfach ambulant entfernt werden (siehe rechts). Weniger sicher, aber mit den neuen Bluttests besser als nichts, sei die weitverbreitete Untersuchung von Blut im Stuhl.
Wenn in der Familie kein Darmkrebs vorkommt, empfiehlt sich die Koloskopie ab 50; ansonsten zehn Jahre vor dem Alter, als der Darmkrebs beim Familienmitglied entdeckt wurde. Je nach Risikogruppe empfiehlt sich die Vorsorgeuntersuchung jährlich oder aber alle drei, fünf oder zehn Jahre. Seit 2014 wird sie von den Krankenkassen bezahlt. Wie viele das Angebot nutzen, ist nicht bekannt. Es dürften (noch) deutlich weniger als ein Drittel sein.
Aufwendige Krebstherapie
«Viele haben wohl Angst, dass etwas entdeckt wird, obwohl es ihnen eigentlich gut geht», meint Andreas Keerl, Leitender Arzt des Darmkrebszentrums. «Dabei kann man Darmkrebs in den meisten Fällen verhindern, indem man die Polypen abträgt», betont auch er. Der Eingriff sei risikoarm und, da der Patient leicht sediert wird, schmerzfrei. Das Unangenehmste sei die vorgängige Reinigung des Darmes mittels eines Abführmittels.
Anders sieht es aus, wenn sich aus den Polypen aufgrund von Zellmutationen Karzinome entwickeln, was in der Regel drei bis zehn Jahre dauert: Die Behandlung von Dickdarm- und Mastdarmkrebs ist oft sehr aufwendig. Am interdisziplinären Tumorboard beraten die involvierten Spezialisten (u.a. Gastroenterologen, Strahlentherapeuten, Radiologen, Onkologen, Pathologen und Chirurgen) jeden einzelnen Fall, und zwar solange, bis es einen Konsens gibt. «Wir bieten individuell angepasste Therapien an, die gleichzeitig internationalen Leitlinien und Standards entsprechen», erklärt Nocito.
In den letzten Jahren wurden auf allen Ebenen grosse Fortschritte erzielt: Operation und Bestrahlung sind schonender geworden, die Medikamente für die Chemotherapie besser verträglich. So haben sich die Prognosen für die Patienten deutlich verbessert.
Bei Darmkrebs erste Wahl ist die Operation; dabei wird mit dem Tumor ein Stück des Darmes entfernt. Das allein reicht allerdings nicht, wenn der Tumor bereits gestreut, also metastiert hat, oft in die Leber. Dann ist in der Regel eine vorgängige Chemotherapie nötig; danach werden häufig zuerst Lebermetastasen entfernt, bevor der Dickdarm operiert wird. «Mit dieser sehr aufwendigen kombinierten Therapie kann man bei Patienten mit Lebermetastasen eine 5-Jahres-Überlebensrate von 30 bis 50 Prozent erreichen», sagt Nocito.
Rendezvous im Mastdarm
Kompliziert ist auch die Therapie von Mastdarmkrebs. Meist wird der Tumor mittels Chemo- und Strahlentherapie vorbehandelt. Dies reduziert das Risiko, dass später an Ort und Stelle wieder ein Tumor wachsen kann; im Idealfall wird der zu behandelnde Tumor dadurch auch verkleinert und so eine Operation erleichtert. Die Operation selber ist wie die Operation von Dickdarmkrebs ein Eingriff der sogenannten Hoch spezialisierten Medizin (HSM). Nur Chirurgen mit genügend Erfahrung dürfen solche Operationen durchführen. In Baden sind dies Nocito und Keerl.
«Seit der Zertifizierung vor bald sechs Jahren haben wir die geforderten Minimalfallzahlen jeweils weit übertroffen», sagt Keerl. «Das ist wichtig für die Patienten, da wir ihnen so ein hohes Mass an Erfahrung und damit Sicherheit bieten können.» Denn je häufiger operiert wird, desto besser sind der Chirurg und das ganze Team.
Insgesamt werden im Zentrum in Baden pro Jahr rund 110 Darmkrebsoperationen durchgeführt, 80 davon betreffen Dickdarmkrebs-, 30 Mastdarmkrebspatienten. «Für Schweizer Verhältnisse sind das sehr hohe Fallzahlen, die viele anderen Häuser nicht erreichen», sagt Keerl.
«Mastdarmkrebs operieren wir mit einer neuen Technik», erläutert Nocito. «Dabei operieren zwei Teams gleichzeitig einen Patienten. So können wir die Operationszeit verkürzen, was wiederum dem Patienten zugutekommt.»
Transanale Totale Mesorectale Excision (TaTME) heisst die neue Technik, bei dem Team 1 laparoskopisch durch die Bauchdecke operiert, während Team 2 parallel dazu endoskopisch durch den Analkanal zum Tumor vorstösst und den Mastdarm komplett samt bösartigem Gewebe entfernt.
TaTME ermöglicht eine bessere Darstellung der Nerven und eine hundertprozentige Entfernung des Mesorektums, was die Prognose stark verbessert. Weitere Vorteile sind ein geringerer Blutverlust und weniger Wundinfektionen (siehe Artikel unten). Zudem schont die neue Technik die Beckennerven, Samenbläschen und die Prostata, bzw. das Scheidengewölbe. So können in vielen Fällen die Blasen- und die sexuellen Funktionen erhalten werden.
Koloskopie: Vorsorge kann Leben retten
Nach Brust- respektive Prostatakrebs ist Darmkrebs die zweithäufigste Krebsart bei Frauen wie bei Männern. In der Schweiz erkranken pro Jahr rund 4100 Menschen an Darmkrebs, das sind 11 Prozent aller Krebserkrankungen (3⁄4 davon an Dick-, 1⁄4 an Mastdarmkrebs). 56 Prozent der Betroffenen sind Männer, 44 Prozent Frauen. Hauptrisikofaktor ist das Alter: 38 Prozent der Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose zwischen 50 und 69 Jahre, 55 Prozent über 70 Jahre alt.
Mit einer einfachen Vorsorge liessen sich die meisten Fälle verhindern: Mit einer Koloskopie (Darmspiegelung) lassen sich (noch) harmlose Polypen – die Vorstufe des Tumors – ambulant entfernen. Informationen und Terminvereinbarungen unter 056 486 26 20 oder darmzentrum@ksb.ch