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Leben
In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unsere Autorin Samantha Zaugg alternierend mit Ludwig Hasler, Philosoph und Publizist, 76. Diese Woche sinniert Zaugg über eine gerechtere Welt ohne Milliardäre.
Lieber Ludwig
Du sollst natürlich nicht zerknirscht durchs Leben gehen, nur weil’s dir gut geht. Bei den Privilegien geht es nicht darum, sich schlecht zu fühlen. Es geht vielmehr darum, zu merken, dass gewisse Probleme strukturell sind. Dass ein erfolgreiches Leben nicht unbedingt mit Leistung oder Versagen des Individuums zu tun hat. Solche strukturellen sozialen Ungleichheiten werden uns in Zukunft beschäftigen. Auch in der Schweiz.
Besonders im Vermögensbereich herrscht bei uns grosse Ungleichheit. Das Gesamtvermögen der 300 Reichsten hat letztes Jahr ein neues Rekordhoch erreicht. Trotz Pandemie. Das ist problematisch. Denn die Pandemie trifft vor allem weniger vermögende Menschen. Diejenigen also, die ohnehin belastet sind von steigenden Mieten oder Krankenkassenprämien. Die Superreichen werden derweil von den wirtschaftlichen Folgen, wenn überhaupt, nur tangiert.
Apropos Superreiche: In der Schweiz leben derzeit 37 Milliardäre, Tendenz steigend. Ihre Zahl ist in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen. Was also tun? Mir gefällt der Ansatz von Mikel Jollet. Der amerikanische Musiker und Autor schreibt auf Twitter: Keine Milliardäre mehr! Das haben auch andere Menschen schon gefordert, aber Jollets Ansatz gefällt mir besonders gut.
Er schlägt vor, wenn ein Mensch 999,99 Millionen angehäuft hat, kommt jeder weitere Dollar der Öffentlichkeit zugute. Dazu gibt’s eine Plakette: Gratulation! Sie haben im Kapitalismus gewonnen. Ausserdem wird ein öffentlicher Hundepark nach der Person benannt.
Finde ich ganz gut. Denn eine Milliarde ist sehr viel Geld. Zur Veranschaulichung: Auch wenn man keine Milliarde mehr besitzen darf, bleiben immer noch neunhundertneunundneunzig Millionen neunhundertneunundneunzigtausend neunhundertneunundneunzig Franken, meinetwegen noch fünfundneunzig Rappen. Und damit lässt sich doch schön was anfangen. Das können die Superreichen behalten und damit machen, was ihnen passt.
Die 37 Milliardäre in der Schweiz besitzen zusammen 112 Milliarden Franken. Würde jeder die 999,99 Millionen behalten und den Rest abgeben, wären 75 Milliarden zu verteilen. Damit machen wir dann was Tolles für die Öffentlichkeit. Ob es Hundeparks sein müssen, weiss ich nicht, ich finde, da gibt’s Besseres. Kinderkrippen zum Beispiel, Altenheime, bessere Löhne und Bedingungen für die Menschen, die da arbeiten. Und Schwimmbäder! Und Unterführungen für Amphibien! Und Glace für alle!
Ich bin schon ganz aufgeregt, wenn ich daran denke, was man mit dem Geld alles anstellen kann.
Was würdest du damit machen? Oder hältst du die Idee für Unfug?
Samantha