KOCHEN: Riesenklosse, Innenleben inklusive

Knödel stehen bei uns nicht zuoberst auf dem Speiseplan. Doch unser Gastroexperte schwelgt in Ferienerinnerungen und bricht eine Lanze für die währschafte Leibspeise der Südtiroler.

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So zieht man den Gästen buchstäblich den Speck durch den Mund: Speckknödel in einer Bouillon. (Bild: Getty)

So zieht man den Gästen buchstäblich den Speck durch den Mund: Speckknödel in einer Bouillon. (Bild: Getty)

Herbert HUber

Mit meiner Frau verbrachte ich im September ein paar Ferientage in den Dolomiten, im Südtirol, bei den Italienern, wo in vielen Beizen unmissverständlich uriges Österreichisches angeboten wird. Neben den Riesenknödeln, die uns da vorgesetzt wurden, kamen uns die kleinen – wenn auch feinen – Gnocchi aus dem übrigen Italien wie Zwerge vor. Aber als neutraler Schweizerbürger will ich mich nie und nimmer in die innenpolitischen Angelegenheiten der Südtiroler einmischen. Zumal im Alto Adige ja alles zweisprachig bestens funktioniert: Der Buschauffeur spricht bei meckernden Germanen demonstrativ Italienisch, und auch die Carabinieri demonstrieren mit ihrer Landessprache gerne ihre Autorita. Und die Knödel auf der Speisekarte der «Tüena Hütte» auf der Seiser Alm heissen im fröhlichen Sprachen-Durcheinander einfach «Canederli allo Speck in brodo».

Weil es kein Essbesteck gab

Doch weg von linguistischen Betrachtungen, zurück zum eigentlichen Thema: den Knödeln, der Leibspeise der Südtiroler. Über Jahrhunderte waren sie ein fester Bestandteil der Regionalküchen des mittleren Europas. Klopse, Klosse, Knödel oder eben Canederli werden sie genannt. Das sei alles das Gleiche, liess ich mich von einer Südtirolerin aufklären. In der Burgkapelle in Hocheppan im Südtirol findet man die wohl älteste Darstellung einer Knödelesserin. In Ermangelung eines Essbesteckes wurden im frühen Mittelalter gekochter Reis, Mais, Hirse oder Maismehl mit Eiern zu einer Masse verarbeitet. Daraus wurden kleine Kugeln geformt, diese in Saucen eingetaucht und von Hand verspiesen. Ab 1280 soll man die Knödel dann definitiv mit dem sogenanntem Knödelmesser, ähnlich dem heutigen Gourmet-löffel, gegessen haben.

Heute werden in der Bergbeiz und unten in der Talwirtschaft selbstverständlich Messer, Gabel und Löffel gereicht. Es gibt die «Canederli» in den verschiedensten Kreationen. Dampfend heiss in einer Fleisch- oder Gemüsebrühe werden die kulinarischen Kolosse serviert. Oder gleich als «Tris di Knödel», im Trio also, mit einer Salbei- oder Kräuterbutter übergossen. Apropos «übergossen»: Knödel passen zu allen möglichen Saucengerichten; etwa zu Schmorbraten, zu Wildpfeffer, zu Tafelspitz oder zu Gulasch.

Man müsse schon etwas Geduld aufbringen, bis die Riesendinger durchgekocht sind, erklärte uns die slowakische Serviertochter im adretten Dirndl. Der erste Schnitt in unsere in würziger Bouillon servierten Speckknödel offenbarte ein spannendes Innenleben. Zwiebeln, Knoblauch und geräucherter, fein geschnittener Speck, etwas Schnittlauch, wenig Majoran. Das Ganze umhüllt von der zarten Semmelmasse. Sind es wohl die Kräuter-Almwiesen rund um die Wirtschaft, die ihnen den intensiven Duft verleihen?

Semmel oder Weggli mit Milch

Knödel lassen sich aus verschiedenen Arten von Teig herstellen. Die wohl bekannteste ist die mit der Brotbasis. Altbackene, feinblättrig oder in Würfel geschnittene Semmel oder Weggli werden mit Milch angefeuchtet und mit Eiern zu einem weichen Teig verarbeitet. Für die klassischen Varianten «al fegato» und «allo Speck» wird noch passierte Leber beziehungsweise geschnittener Speck hinzugemischt. Aber auch die reinen Kräuterkompositionen können einem «Fleischtiger» wie mir – nach dem Motto «weniger ist oft mehr» – hervorragend munden. Und die mit Kartoffelteig zubereiteten Knödel (mehlige Sorte verwenden!) haben es ebenfalls in sich. Ob die Köchin geschwellte oder rohe, geriebene Kartoffeln verwendet und womit sie die Knödel füllt, ist der Köchin überlassen. Die mit einem Nudelteig hergestellten Knödel sind in der Regel eher fest in der Konsistenz. Des Weiteren gibt es Germknödel aus Hefeteig, über dem Dampf gegart. Und zu guter Letzt noch die Topfen-, also Quark-, Griess- und Brandteigknödel, welche für Süssspeisen bestens geeignet sind. Marillenknödel, Zwetschgenknödel und Co. – ein Muss für jeden Südtirol-Reisenden.

«Körperkontakt» verboten

Die Knödel werden in der Bouillon – die süssen Varianten natürlich in ungesalzenem Wasser – sanft geköchelt, bis sie an die Oberfläche steigen. Die Knödel werden mit angefeuchteten Händen ausgeformt und in die Flüssigkeit gegeben. Die Flüssigkeit darf nie strudeln, sondern muss knapp am Siedepunkt sein. Die Klosse müssen in der Flüssigkeit schwimmen und dürfen dabei keinen «Körperkontakt» untereinander haben. Sie sind gar, wenn sie trocken und locker sind. Oder zur Garprobe mit einer dünnen Fleischgabel einstechen, und wenn die Gabel auf der Zunge warm ist, ist der Knödel durchgegart. Ich empfehle, jeweils einen Probeknödel zu kochen, um die richtige Garzeit für die gewählte Knödelgrösse festzustellen. Und dann sofort servieren. Sie verlieren bloss die Farbe, wenn man sie länger warm hält.

Zuletzt noch ein paar Tipps für den Fall, dass man in der allgemeinen Euphorie einmal zu viele Knödel zubereitet hat. Übrig gebliebene Knödel darf man für eine kurze Zeit in einem Frischhaltegefäss im Kühlschrank aufbewahren und sie dann später wieder in reichlich Flüssigkeit erwärmen. Man kann sie aber auch kalt in Scheiben schneiden und in Butter braten. Oder die Scheiben panieren und in der Pfanne ausbacken. Knödel lassen sich im Notfall auch einfrieren. Damit sie in Form bleiben, am besten in einem geeigneten Behälter oder Gefrierbeutel einzeln einfrieren. Dann direkt aus dem Kühlfach in die Bouillon geben.