In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 77, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 27. Diese Woche empört sich Zaugg über das Festtagsgericht der Nation.
Lieber Ludwig
Du willst wissen, was ich mit Weihnachten im Sinn habe? Weiss auch nicht so recht. Ich hab auf Weihnachten mehr so einen pathologischen Blick. Eigentlich ist Weihnachten eine sehr fremde Zeit. Nur schon sprachlich. Für Weihnachten gibt es ein ganz spezifisches Vokabular. Besinnlich zum Beispiel. Das ist so ein Wort, das benutzt das ganze Jahr niemand, ausser in der Weihnachtszeit. Es steht dann auf Weihnachtskarten von Firmen, Pfarrerinnen sagen das, oder vielleicht auch mal ein Bundesrat. Es steht zwar im Duden, aber ich glaube, eigentlich gibt es das gar nicht. Ausser eben in der Adventszeit.
Wenn wir’s schon von Wörtern haben: Ist dir auch schon aufgefallen, wie Leute aus der Schweiz das Wort Pommes-Chips aussprechen? Sie sagen Pomschips und das finde ich wirklich sehr herzig. So herzig, dass ich das auch so sage. Pomschips.
Wie ich darauf komme, ist weniger herzig. Ich musste vor einiger Zeit feststellen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die zu Weihnachten Fondue Chinoise mit Pomschips essen. Fondue Chinoise ist schon schlimm. Aber dass Pomschips als akzeptable Beilage für einen Hauptgang, darüber hinaus für einen festlichen Hauptgang, angesehen werden, schlägt dem Fass den Boden aus. Nichts gegen Pomschips, die sind super, es geht mir hier um die Attitude.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, um mich über Fondue Chinoise zu empören. Fondue Chinoise ist das schlimmste Gericht, das es gibt. Zuerst muss man mal sagen, dass der Name schon irreführend ist. Fondre heisst schmelzen, chinoise heisst chinesisch. Und hier ist nichts geschmolzen und auch nichts chinesisch.
Ferner ist Fondue Chinoise nichts anderes als prätentiös. Es tut noch viel mehr, als es ist. Brechen wir es mal runter: Es sind Fleischstücklein, die in einer Bouillon gesotten werden. Dazu gibt’s Sösseli. Also wenn wir ehrlich sind, Mayonnaise. Mayonnaise mit Knoblauch, Mayonnaise mit Curry, Mayonnaise mit Cornichons.
Gesottene Fleischmöckli mit Mayonnaise und Pomschips. Klingt so ein Festessen? Nicht wirklich, oder? Klingt eher wie etwas, dass ich als bekiffte Teenagerin gegessen hätte. Gleiche Kategorie wie Knäckebrot mit Aromat. Einfach in teuer. Aber es kommt noch besser! Es herrscht die weitverbreitete Annahme, ein Weihnachtsessen müsse zwingend aufwendig sein. Darum gibt es scheint’s Leute, die selbst eine Bouillon ziehen und dann alle Mayonnaise-Sösseli selber machen. Ein Gericht, das man mit einem Suppenwürfel und Fertigsaucen in weniger als zehn Minuten parat hätte, in mehrstündiger, mühsamer Handarbeit zuzubereiten, das ist doch wohl die Definition von prätentiös!
Habe fertig. Was isst du am liebsten zu Weihnachten?
Samantha