Kolumne
«Glamour, mon amour»: Die Heldin

Unsere Kolumnistin Simone Meier ehrt diese Woche eine Autorin, die verschiedene Menschen, Länder und Religionen fesselnd präsentierte, noch bevor dass das Wort Globalisierung in aller Munde war.

Simone Meier
Simone Meier
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Federica de Cesco schrieb unzählige zu Kult gewordene Kinderbücher, Romane und Sachbücher.

Federica de Cesco schrieb unzählige zu Kult gewordene Kinderbücher, Romane und Sachbücher.

Keystone

Alles Gute kommt aus dem Aargau. Nein, das stimmt natürlich nicht. Das Gute kommt, genauso wie das Schlechte, aus allen Himmelsrichtungen. Noch attraktiver als das Gute ist allerdings das Beste. Und jetzt, wo es plötzlich Sommer geworden ist, gehört zu diesem Besten unbedingt die Erinnerung an meine Sommerlektüre aus sehr jungen Jahren. Ich war als Teenager eher sonnenscheu und überdies verheerend unsportlich und fand den Sommer dann am schönsten, wenn ich ungestört in meinem schattigen Zimmer ein Buch ums andere vertilgen konnte.

Sie können dreimal raten, welche Autorin damals zu meinen Favoritinnen gehörte. Nein, nicht J.K. Rowling mit ihrem Harry Potter, den gabs damals noch lange nicht. Ich las Federica de Cesco. Erst letzte Woche habe ich in der Badi-Bibliothek ihren Jugendroman «Im Wind der Camargue» gefunden und war vom ersten Satz weg wieder gefesselt. Das Buch erzählt die tollkühne Geschichte von Estella, einem Cowgirl aus Südfrankreich, und ist von 1966. Damals war Federica de Cesco 28 Jahre alt und hatte bereits dreizehn Bücher geschrieben. Heute ist sie 84, und ich habe aufgehört, ihre Werke zu zählen.

Zum ersten Mal live gesehen habe ich sie als Teenager. Im Aargau, wo eben viel Gutes herkommt. Sie hielt in der Schule meines kleinen Dorfes eine Lesung, und zwar nicht irgendwo, sondern im Schulzimmer meines Vaters, der mir noch nie so sehr zum Lehrer berufen schien wie an jenem Tag. Ich war unter den vielen Mädchen, die ein Autogramm von ihr wollten und sie staunend umringten, ihr Haar war so glänzend und schwarz, ihr Schmuck so massiv und exotisch, als wäre sie selbst einem ihrer Romane entsprungen. Einen ihrer Ringe, ein überdimensioniertes Ungetüm, tauften wir den «Eiffelturm-Ring».

Wahrscheinlich ahnte sie gar nicht, was sie schon alles an Flöhen in unsere Mädchenköpfe gesetzt hatte. Eine Freundin bestürmte ihre Mutter, weil sie unbedingt den tibetanischen Buttertee aus «Die Dächer von Lhasa» wollte, den man sich wohl wie eine Bouillon mit Teeblättern vorstellen muss. Mich dagegen gluschtete es nach Pemmikan, dem Dörrfleisch, das der schöne Halb-Apache in «Der rote Seidenschal» immer in seiner Satteltasche mit sich führte.

Dank Federica de Cesco wusste ich damals auch, wie man Schlangenbisse durch Aussaugen der Wunde entgiftet. Oder wie man in einer luftdicht verschlossenen Höhle atmen muss, um möglichst lange zu überleben. Oder weshalb Atlantis unterging. Oder weshalb das Reich der Azteken unterging. Und auch, dass es Prinzessinnen in allen möglichen Kulturen, zu allen möglichen Zeiten, wirklich nicht leicht hatten.

Ihre Bücher spielten überall, Menschen, Länder und Religionen waren komplex und hatten Vor- und Nachteile, und schon bevor das Wort Globalisierung in aller Munde war, war sie bei Federica de Cesco ganz selbstverständlich präsent. Das Gute kam, genauso wie das Schlechte, aus allen Himmelsrichtungen.