Gedanken über eine anspruchsvolle Aufgabe im Wandel der Zeit.
Als Gefängnisseelsorger werde ich oft gefragt: «Ist diese Aufgabe nicht zermürbend oder gar gefährlich?» Sie ist anspruchsvoll und lässt mich immer wieder erstaunen. Gefährlich wird es höchstens für meine zementierten Vorstellungen. In dieser Institution erfüllt jede/r ihre/seine Aufgabe, im Mittelpunkt steht für mich nicht die Strafe, sondern jede/r einzelne Gefangene.
Die gängigen Modelle der Seelsorge funktionieren nicht mehr. Es braucht ein neues Gesicht in der Kirche, sowohl in den Pfarreien wie auch im Gefängnis. Das Christentum ist zerbrechlich, es lässt sich nur zum Teil strukturieren. Darum ist für mich der Begriff «Seelsorger/in» gefährlich. Man ersetzt nicht einen Priester durch einen oder mehrere Laien, vor allem in Strukturen, die von Priestern erdacht, für Priester gemacht und von ihnen aus geleitet sind.» Wie befähige ich die Gefangenen und die Mitarbeiter/-innen, ihre Seele zu heilen, wenn sie zerstört ist?
Weder im Gefängnis noch in einer Pfarrei bin ich zum vornherein der Seelsorger. Meine Aufgabe ist es vielmehr, auch die eigene Seele neu zu entdecken, zu heilen und zu begleiten. Das gelingt bei weitem nicht immer, aber es ist weder zermürbend noch gefährlich.
Hans-Peter Schuler
Diakon, Brunnen
hp_schuler@bluewin.ch