ELEKTROMOBILITÄT
Sondermüll oder wertvolle Materialien? Eine Schweizer Firma recycelt Batterien aus E-Fahrzeugen

Politischer Druck bringt Bewegung in die Recyclingbranche. Eine kleine Firma im Zürcher Unterland macht vor, wie Batterien zerlegt werden können.

Niklaus Salzmann
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Bei Kyburz werden die Batterien der eigenen Fahrzeuge recycelt. Ein Mechaniker baut die Akkus aus.

Bei Kyburz werden die Batterien der eigenen Fahrzeuge recycelt. Ein Mechaniker baut die Akkus aus.

Sandra Ardizzone

Solange sie fahren, sind Elektrofahrzeuge elegante Statements von Rücksicht auf die Umwelt. Doch zwölf Jahre nachdem die ersten Teslas auf Schweizer Strassen auftauchten, wird eine Frage immer drängender: Was passiert mit ihnen, wenn sie nicht mehr fahrtauglich sind? Und da gibt es ein Problem. Jedes Elektroauto enthält eine Batterie, die rund eine halbe Tonne schwer ist. Eine halbe Tonne Sondermüll.

Für die im Jahr 2020 zugelassenen Elektrofahrzeuge ergibt dies einen Berg von 10000 Tonnen Batterien. Doch er muss nicht unbedingt nur als Müllberg betrachtet werden. Es ist auch ein Berg voller Wertstoffe.

Die ausgedienten Batterien enthalten Kobalt, Nickel, Lithium, Mangan und Kupfer. Rohstoffe, die es zum Herstellen neuer Batterien braucht und die zum Teil in Ländern mit miserablen Arbeitsbedingungen und schwachen Umweltstandards abgebaut werden – die Medienberichte von Kinderarbeit in kongolesischen Kobaltminen gingen um die Welt. Da drängt sich die Frage auf: Können die Rohstoffe aus den ausgedienten Batterien geholt und zurück in den Kreislauf gegeben werden?

Olivier Groux, Umweltingenieur.

Olivier Groux, Umweltingenieur.

Sandra Ardizzone

Mit dieser Frage beschäftigt sich der Umweltingenieur Olivier Groux bei der Firma Kyburz in Freienstein, einem Dorf im Zürcher Unterland. Dort entstehen die gelben dreirädrigen Elektromobile, mit denen Briefträgerinnen und Briefträger die Post zustellen. Groux hat zusammen mit einer externen Firma eine Anlage entwickelt, um die Batterien dieser Fahrzeuge in einzelne Wertstoffe aufzutrennen. Groux sagt:

Die meisten Stoffe gewinnen wir zu hundert Prozent zurück.

Der Umweltingenieur fügt an: «Nur beim flüssigen Elektrolyten gelingt uns dies nicht.» In einem Schaukasten neben der Anlage ist zu sehen, was aus einer Batterie herausgeholt wird: Vor dem aufgesägten Kunststoffgehäuse liegen ein Stapel Kupferfolie und ein Stapel Aluminiumfolie. Dazwischen stehen zwei Bechergläser mit schwarzem Pulver – das eine ist Grafit, das andere Lithiumeisenphosphat.

Groux präsentiert die von ihm entwickelte Anlage.

Kyburz

Die Anlage hat Olivier Groux als Bachelorarbeit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zusammen mit dem Materialforschungsinstitut Empa entwickelt. «Wir sind daran, die Anlage zu optimieren», sagt er. «Zudem müssen wir uns fragen, wie weit wir mit dem Trennen der Wertstoffe gehen.»

Die Wertstoffe aus einem Fahrzeugakku: Kupfer, Aluminium, Lithiumeisenphosphat und Graphit.

Die Wertstoffe aus einem Fahrzeugakku: Kupfer, Aluminium, Lithiumeisenphosphat und Graphit.

Sandra Ardizzone

Lohnt es sich zum Beispiel, aus dem Lithiumeisenphosphat das Lithium herauszuholen, um es in neuen Batterien zu verwenden? Aus wirtschaftlicher Sicht lautet die Antwort im Moment: nein. Zu hoch die benötigte Reinheit, zu tief der Preis des Rohstoffs, zu klein die Mengen.

In der EU sollen Recyclingquoten zur Pflicht werden

Die meisten Elektrofahrzeuge, die bislang gebaut wurden, sind noch in Betrieb, sowohl bei Kyburz als auch bei anderen Herstellern. Deshalb sind die Stückzahlen ausgedienter Akkus noch sehr tief. Doch sie werden in den kommenden Jahren rapid zunehmen. Hinzu kommt politischer Druck. In der EU wird eine Verordnung diskutiert, in der neben einer Gesamtrecyclingquote von 65 Prozent für Lithium-Akkus auch Quoten für einzelne Rohstoffe wie Kobalt, Nickel und Lithium festgeschrieben wären. Zudem soll bei der Produktion neuer Batterien bei verschiedenen Rohstoffen ein bestimmter Anteil Rezyklat verwendet werden müssen.

Und in der Schweiz muss die Autobranche garantieren, dass die Batterien nach dem neusten Stand der Technik entsorgt werden, um weiterhin um eine vorgezogene Recyclinggebühr herumzukommen. Olivier Groux deutet auf eine Kartonschachtel voller Autobatterien, die neben seiner Recyclinganlage steht: «Wir erhalten jetzt vermehrt Anfragen auch von aussen.» Erste Versuche mit anderen als den eigenen Batterien hat er schon durchgeführt, die Resultate seien vielversprechend.

Lithium-Akkus werden nicht nur bei Bau von Fahrzeugen eingesetzt - auch viele Smartphonehersteller verwenden sie.

Lithium-Akkus werden nicht nur bei Bau von Fahrzeugen eingesetzt - auch viele Smartphonehersteller verwenden sie.

Fotolia

Bislang können ausgediente Antriebsbatterien in der Schweiz nur bei Batrec in Wimmis abgegeben werden. Dort wurden im Jahr 2020 nur dreieinhalb Tonnen Batterien dieser Art entgegengenommen. Es habe sich in erster Linie um defekte Batterien und Batterien aus Unfallfahrzeugen gehandelt, sagt Karin Jordi, Geschäftsführerin bei Inobat, wo die vorgezogene Recyclinggebühr verwaltet wird.

Aufgrund der langen Lebensdauer der Batterien wird angenommen, dass ein signifikanter Rücklauf erst in fünf bis zehn Jahren erfolgen wird.

Ein Grossteil der in der Schweiz anfallenden Autos wird zur Weiterverwertung ohnehin ins Ausland exportiert.

In Belgien und Deutschland gibt es bereits grössere Recyclinganlagen für Lithiumbatterien. Sie zerlegen die Batterien aber nicht wie bei Kyburz sorgsam in Einzelteile, sondern schreddern sie und schmelzen sie ein. Auf diese Weise können zwar wertvolle Metalle wie Kobalt zurückgewonnen werden, doch um auch das Lithium zu recyceln, braucht es zusätzlich ein chemisches Verfahren – nicht nur Wasser wie bei Kyburz.

Ausgediente Antriebsbatterien könnten Solarstrom speichern

Welche Methoden am wirtschaftlichsten sind und sich durchsetzen, wird sich bald zeigen. «Wenn wir die Branche mit einem Flugzeug vergleichen, stehen wir auf der Startbahn und haben die Pistenfreigabe», sagt Rolf Widmer, der sich als Wissenschafter an der Empa mit dieser Frage befasst. «Als Nächstes heben wir ab.»

Zeit verschaffen könnte sich die Branche, wenn sie für die Batterien eine Zweitnutzung nach dem Auto findet. Bei rund 80 Prozent der ursprünglichen Leistungsfähigkeit hat die Batterie im Fahrzeug ausgedient. Zu einem stationären Speicher, etwa in Kombination mit einer Solaranlage, taugt sie aber noch längst. Bei Kyburz wird in Kürze ein solcher Speicher kommerziell lanciert.

Aus ökologischer Sicht ist er zweifellos sinnvoll. Auf dem Markt ist die Konkurrenz durch neue günstige Batterien hart. Doch Groux zeigt sich zuversichtlich, dass sich das Speichersystem mit gebrauchten Batterien auch wirtschaftlich rentieren wird.