KURZANTWORT: Will der Kellner wirklich die Wahrheit hören?

Ich bin mir nie sicher, ob ich im Restaurant die Wahrheit sagen soll, wenn ich gefragt werde: «Hat es geschmeckt?» Erwartet das Personal tatsächlich, dass man ehrlich die Meinung sagt? Ist die Frage nicht eher eine Floskel? Aber stets nur sagen «Ja, es war gut!», auch wenn es nicht zutrifft, bringt es ja auch nicht. Was tun?

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Zuerst zeigt der Kellner dem Gast den Wein. (Bild: Imago)

Zuerst zeigt der Kellner dem Gast den Wein. (Bild: Imago)

Erkundigen wir uns nach dem Befinden eines Mitmenschen, kommt das für viele einer Floskel gleich. Dennoch fragen wir, weil uns das Wohl anderer eben oft wirklich am Herzen liegt. So sollten wir auch beim Restaurantbesuch keine falschen Hemmungen an den Tag legen, was eine ehrliche Rückmeldung betrifft. Eine Reflexion seitens der Gäste – im Besonderen, wenn nicht alles zur vollen Zufriedenheit aufgetischt wurde – ist für den Gastgeber stets eine Chance, sein Angebot zu optimieren oder sich besser nach den Bedürfnissen der Gäste auszurichten.

Äussern Sie Ihre ehrliche Meinung ruhig, wenn Sie danach gefragt werden. Doch wann und wie Sie das tun, dazu gibt es einiges zu berücksichtigen:

Wann erfolgt die Rückmeldung: Auch wenn Dienstleistende jederzeit ein offenes Ohr für die Konsumenten haben sollten, ist es nicht verwunderlich, dass in hektischen Momenten gut gemeinte Feedbacks auf Ablehnung stossen. Aus Erfahrung weiss ich, dass selbst routinierte Gastgeber ehrliche Worte als störend aufnehmen, wenn es rundherum drunter und drüber geht. Ist es Ihnen wichtig, eine konstruktive Kritik oder Anregung anzubringen, warten Sie den richtigen Moment ab. Wählen Sie möglichst einen ruhigen Augenblick. Vielleicht ergibt sich gar die Gelegenheit, sich mit der zuständigen Person unter vier Augen auszutauschen. Kommt nämlich dazu, dass Servicemitarbeitende sich oft in ihrem Ehrgefühl verletzt fühlen, wenn die Nachbartische die «Rüge» unverblümt mitbekommen – ihre ablehnende Reaktion gilt dann eventuell nicht Ihnen, sondern der Situation.

Weiter sollten Sie sich stets dessen eingedenk sein, dass unser Empfinden unterschiedlich ist. Während für Sie die Suppe klar zu salzig ist und Ihre ehrlichen Worte dazu in Ihren Augen angebracht erscheinen, beschwert sich ein anderer Gast über mangelnde Würze. Es ist daher hilfreich, das Feedback als Ich-Botschaft zu senden, um das subjektive Empfinden klar von Verallgemeinerungen abzusetzen. Die Meldung «Ich empfand die Suppe als zu salzig» wird sicher kooperativer aufgenommen, als die Aussage: «Das kann man ja nicht essen!» Zweiteres provoziert Abwehrhaltung oder gar – ebenso verallgemeinernde – Retourkutschen, der Adressat wird unkooperativ reagieren, es entsteht kein Dialog, sondern zwei gehässige Monologe, niemandem ist geholfen.

Sachbezogen bleiben

Üben sie sach- und nicht personenbezogene Ehrlichkeit: Für Sie war die Suppe zu salzig, nicht: Der Koch hat die Suppe versalzen. Werden ehrliche Worte auf der persönlichen Ebene gestreut («Der Koch kann nicht kochen!»), während die Anregung der Sache gelten sollte («Die Suppe ist mir zu salzig»), kann Ehrlichkeit verletzend und kontraproduktiv werden. Oft sind wir uns dessen nicht bewusst: Wollen wir unsere Meinung kundtun, sollte dies auf Basis eines Dialogs, eines Kon­senses geschehen. Ein Mo­nolog, der dem Gegenüber kaum die Möglichkeit bietet, sich aktiv an der Konversation zu beteiligen, schiesst am Ziel vorbei.

Es ist sinnvoll, auf die Frage, wie das Essen geschmeckt habe, aufrichtig Rückmeldung zu geben. Dies ist für den Gastgeber eine Chance, sein Angebot zu optimieren oder sich besser nach den Bedürfnissen der Gäste auszurichten. Allerdings berücksichtigt ein zivilisierter, taktvoller Gast, wie und wann er sein Feedback abgibt. (red)

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