Ratgeber
Mir fällt es schwer, Entscheidungen zu treffen

Ich nerve mich über mich selber: Mit fällt es fast immer schwer, Entscheidungen zu treffen. Bleibe ich jetzt heute zu Hause, oder treffe ich Freunde? Melde ich mich für den Kurs an, oder ist es doch nichts für mich? Auch mein Umfeld reagiert zunehmend negativ auf die Schwäche. Was kann ich dagegen tun?

Margareta Reinecke*
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Wir haben täglich Hunderte von Entscheidungen zu treffen. Zum Glück läuft das meistens gewohnheitsmässig ab. Wir trinken Kaffee, nehmen den Arbeitsweg, treiben einmal die Woche Sport.

Margareta Reinecke.

Margareta Reinecke.

Doch es gibt Leute, die ständig zwischen Möglichkeiten hin und her pendeln. Esse ich Pizza oder doch lieber einen Salat, behalte ich die Arbeitsstelle, oder kündige ich sie, ist dieser Partner der richtige? Sie bringen mit ihrer Unentschlossenheit nicht nur ihr Umfeld zum Verzweifeln, sondern leiden auch selber darunter.

Auf den Körper hören

Sicher haben Sie einiges ausprobiert: etwa Pro- und Kontralisten erstellt, am Ende die Punkte zusammengezählt und gemerkt, dass es nicht hilft. Versucht, auf Ihr Bauchgefühl zu hören, aber Ihr Bauch blieb stumm. Sich überhaupt gefragt, ob es besser ist, mit dem Kopf oder mit dem Bauch zu entscheiden.

Aus der Forschung wissen wir, dass Entscheidungen oft in Mikrosekunden ablaufen. Ein Beispiel: Begegnen Sie irgendwo einer Ihnen unbekannten Person, fällen Sie sofort ein Urteil, ob Ihnen diese Person sympathisch ist oder nicht. Über jeden neuen Reiz fällen wir in sekundenschnelle Urteile. Dies, bevor der Verstand die Sachlage ergründen kann.

Der Gehirnforscher António Damásio nennt dies somatische Marker. Diese können als Körperempfindung oder als Emotion wahrgenommen werden und basieren auf unseren Erfahrungen. Jeder Mensch nimmt somatische Marker unterschiedlich wahr. Für einen positiven Marker kann dies ein Kribbeln in der Herzgegend sein, für einen negativen etwa ein kurzes Unwohlgefühl. Es lohnt sich, sich bei körperlichen Zeichen oder ungewohnten Gefühlsempfindungen zu fragen, woher diese kommen könnten. Mit etwas Übung kann dies bei Entscheidungen helfen.

Das 10-10-10-Modell hilft

In jeder Entscheidungssituation erkennen wir Möglichkeiten, wittern jedoch auch die Gefahr, etwas zu verlieren oder eine Option zu verpassen. Oft überschätzen wir die Auswirkungen von Entscheidungen auch deutlich, im positiven wie negativen Sinn. Hier hilft das 10-10-10-Modell, bei dem Sie sich fragen: Wie denke ich über die Entscheidung in 10 Stunden, 10 Monaten, 10 Jahren?

Anstatt tagelang zu zögern, ist es wichtig, sich überhaupt für etwas zu entscheiden. Denn entscheiden heisst, für sich Verantwortung übernehmen. Wer seine Entscheidungen hinausschiebt und sich treiben lässt, der verliert den Respekt sowohl vor den anderen als auch vor sich selber. Bleiben Sie also nicht in der Blockade, sondern handeln Sie zügig und mutig.

Ausnahme: Bewegt Sie eine Entscheidung emotional ungewöhnlich stark, könnten Ihre Instinkte sich als trügerisch erweisen. Warten Sie in solchen Fällen ab, bis sich die Gefühlslage beruhigt hat, und versuchen Sie herauszufinden, was hinter dem Entscheidungschaos steht. Vielleicht helfen ein Tapetenwechsel, Bewegung in der Natur oder ein gutes Gespräch.

* Margareta Reinecke, Luzern /Hildisrieden, Dr. phil., Fachpsychologin für Psycho­therapie FSP, vipp – Verband Innerschweizer Psycholog/innen.