Ratgeber
Wie bleibe ich trotz «Social Distancing» frohen Mutes?

Seit Wochen üben wir uns nun schon in sozialer Distanz, um Ansteckungen mit dem Coronavirus zu vermeiden. Mir fällt das schwer. Mir fehlt die Nähe zu meiner Familie, speziell zu meinen betagten Eltern. Meine Eltern wiederum vermissen Kinder und Enkelkinder. Wie gelingt es uns, dennoch positiv zu bleiben?

Lic. phil. Irène Wüest*
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«Social Distancing» ist das Gebot der Stunde. Der Mindestabstand zu den Mitmenschen liegt bei gut zwei Metern, um sie nicht zu gefährden. Ein unglücklicher Begriff, denn es geht in Tat und Wahrheit nicht um sozialen Abstand, sondern um körperliche und räumliche Distanz. Gerade menschlicher, emotionaler Kontakt ist in Zeiten, wo körperliche Nähe nur eingeschränkt möglich ist, notwendig. Als soziale Wesen wollen und müssen wir in Verbindung sein und uns verbunden fühlen. Der zwischenmenschliche Austausch ist für uns Menschen überlebenswichtig.

Irene Wüest

Irene Wüest

Luzerner Zeitung

Ohne diesen Austausch verkümmern wir emotional. Es muss ja nicht immer eine Umarmung oder der innige Händedruck sein. Es gibt auch andere Formen der Verbindung und Verbundenheit. Die Positive Psychologie, insbesondere die Arbeit von Professorin Barbara Fredrickson, liefert uns hierzu Antworten: Was können wir konkret tun, um uns verbunden zu fühlen?

Fredrickson rät, die kleinen positiven Dinge im Alltag zu sehen und zu schätzen. Es geht hier nicht um das Erleben grosser Gefühle. Das wäre in einer Zeit, die durch Verunsicherung, Angst, Stress und Sorge geprägt ist, illusorisch. Es geht um die kleinen Glücksmomente, die uns das Leben bietet. Nehmen Sie sie ernst. Es sind die kleinen Pflänzchen, die Licht, Luft und Wasser brauchen. Unsere positiven Emotionen brauchen unsere Aufmerksamkeit.

Facetime oder Skype

Wann hatte ich heute schon ein gutes Gefühl? Worüber habe ich mich gefreut? Wann war ich entspannt? Wann nahm ich im Kontakt mit anderen Menschen positive Gefühle wahr? Nehmen Sie das Positive im Kleinen wahr, können Sie besser mit Stress umgehen und entspannen. Sie sind offener, zugänglicher sowie freundlich, versöhnlich und neugierig.

In diesem Zustand lässt sich auch besser eine gefühlte Nähe zu betagten Eltern und anderen Verwandten herstellen. Nachdem es nicht möglich ist, zu Ihren Eltern zu fahren und sie zu besuchen, benötigt es Alternativen. Telefon ist besser als Mail und SMS, Video-Telefonie via Whatsapp, Facetime oder Skype ist besser als Telefon. Je mehr wir vom anderen sehen und hören, desto mehr und besser können wir ihn auch spüren.

Das Teilen von Alltäglichkeiten und Gefühlen, insbesondere von positiven Gefühlen, ist zentral. Wenn Sie einander erzählen, was Sie heute an kleinen Freuden trotz allem erlebt haben, dann haben Sie die Möglichkeit, sich gemeinsam daran zu erfreuen. Es geht darum, emotional auf der gleichen Wellenlänge zu sein. Wenn wir uns mit einem anderen Menschen im Gleichklang erleben, dann gleichen sich unsere Körpersprache, unsere Körperhaltung an und unser Atemrhythmus und unsere Gehirnaktivität werden ähnlich. Wir erleben dann Verbundenheit und fühlen uns dem anderen nah.

* Lic. phil. Irène Wüest ist SkillCoach sowie Organisations- und Kommunikationsberaterin. www.skillcoach.ch