Neben seiner dunklen Vergangenheit hat der Süden Afrikas eine atemberaubende landschaftliche Vielfalt zu bieten. Die Einheimischen finden, Kapstadt sei die schönste Stadt der Welt, zudem ist das «Kap der guten Hoffnung» ein Paradies für Naturfreunde. Es gibt tausend Gründe, der Regenbogen-Nation einen Besuch abzustatten.
Auf Nelson Mandelas Spuren wandelnd, beginnt unsere Reisegruppe ihr Abenteuer Südafrika in der Wirtschaftsmetropole Johannesburg. Wir besuchen zwei ehemalige Wohnhäuser des Nationalhelden. Eines befindet sich im Reichenviertel Houghton, wo prunkvolle Villen mit stacheldrahtgesicherten Mauern das Strassenbild prägen. Als Nelson Mandela im Dezember 2013 im Sterben lag, wurde seine Villa teilweise in eine Intensivstation umgebaut. «Nach Mandelas Tod haben Dutzende Journalisten das Eingangstor belagert, um den Leichenwagen fotografieren zu können», erzählt Andrew, der uns auf der Reise als Busfahrer und Tourguide begleitet. Heute zeugen vor der Villa ein paar bunt bemalte Steine in einem Pflanzenbeet von der Trauer der Südafrikaner über den Verlust ihres Freiheitskämpfers. «Rest in Peace, Tata Madiba» ist darauf etwa zu lesen. Tata Madiba. So nennen die Einheimischen liebevoll den Vater des heutigen Südafrikas.
Mandelas zweites Zuhause ist ein Backsteinhaus an der 8115 Vilakazi Street im Stadtteil Orlando. Es liegt im berühmtesten Township Südafrikas: in Soweto. Hier lebte der Nationalheld von 1946 bis 1962. Soweto wurde von der damaligen Regierung ausschliesslich für Schwarze errichtet – diese wurden gezwungen, dort abgeschottet von den Weissen zu leben. Im heute als Museum genutzten Mandela-Haus können neben einer winzigen Küche gar Einschusslöcher in der Fassade entdeckt werden. Letztere zeugen von den gewaltsamen Übergriffen aus der Zeit der Rassentrennung.
In Soweto kam es ab dem 16. Juni 1976 zu Schülerprotesten. Grund: Es sollte nicht mehr Englisch, sondern nur noch Afrikaans als Unterrichtssprache zugelassen werden. Die Unruhen forderten zahlreiche Todesopfer. Darunter war auch der 12-jährige Hector Pieterson, der zur Symbolfigur des Aufstandes der schwarzen Bevölkerung gegen das Apartheidregime wurde. An den Aufstand erinnern heute ein Museum sowie ein Mahnmal, das Hector zu Ehren errichtet wurde.
Wir verlassen Johannesburg und machen uns auf den Weg in die Kapregion. In der Millionenmetropole Kapstadt treffen wir Tourguide Zozo. Durch ihn erleben wir die düstere Vergangenheit der Apartheid. Er zeigt uns die Insel Robben Island. Diese liegt wenige Kilometer vor Kapstadt und diente bis Mitte der 90er-Jahre als Gefängnis. Auch Zozo war hier fünf Jahre lang inhaftiert. Grund: Er hatte einen Studentenaufstand gegen die Regierung angeführt. Sein damaliger Mitgefangener: Nelson Mandela. Zozo führt uns durch die geschichtsträchtigen Gefängnishallen. Dabei erzählt er, dass er nur etwa zwei Mal jährlich einen Brief erhalten durfte. Pikant: Zensoren hatten aus den Briefen gar Wörter, Zeilen oder ganze Textpassagen herausgeschnitten. Uns den Zensoren-Raum zu zeigen, bringt Zozo nicht übers Herz. «Schaut rein, wenn ihr wollt. Für mich ist das zu viel», so der 60-Jährige. Niemand betritt den Raum.
Weiter geht es in den Hochsicherheitstrakt. Dort präsentiert Zozo stolz die winzige, etwa vier Quadratmeter grosse Zelle, in der Mandela 18 seiner insgesamt 27 Jahre in Gefangenschaft verbrachte. «Bitteschön», sagt er und zeigt auf die Gefängniszelle des ehemaligen Häftlings Nummer 466/64: «Jetzt werft alle einen Blick in Vater Mandelas Zelle und macht Fotos», fordert Zozo uns auf und winkt einen nach dem anderen an der Zelle vorbei. Ein mulmiges Gefühl macht sich in uns breit. Nur Zozo lächelt. Keine Spur von Wut, Hass oder Rache denjenigen gegenüber, die ihm willkürlich die Freiheit genommen hatten.
Zozos berühmter Mitgefangener wurde 1990 aus seiner lebenslangen Haft entlassen. Vier Jahre später wurde er zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt. Mit seiner moralischen Einstellung «Vergebung statt Vergeltung» ermöglichte er seinem Land einen friedlichen politischen Wandel. Und auch Zozo ist anzumerken, dass er seinen Peinigern scheinbar vergeben hat.
Robben Island ist heute nur noch ein Relikt aus dunklen Tagen. Fragt man die Einheimischen, so ist Kapstadt eine der schönsten Städte der Welt. Weil das Wetter oftmals unberechenbar ist, fahren wir bereits frühmorgens mit der Luftseilbahn auf den 1087 Meter hohen Tafelberg. Das Tafelbergmassiv birgt eine reiche Pflanzen- und Tierwelt. Mit etwas Glück zeigt sich etwa der sogenannte Klippschliefer. Dieses drollige kaninchengrosse Fellknäuel erinnert an ein Murmeltier – ist aber anatomisch nahe mit dem Elefanten verwandt. Die meisten Tiere im «Table Mountain National Park», in dem der Tafelberg liegt, sind eher scheu und verkriechen sich in Felsspalten. Was den Tafelberg von anderen Bergen unterscheidet, ist ganz klar seine Plateau-Form. Das macht das Spazieren auf dem Gipfel einfacher als hierzulande.
Ein Paradies für Naturfreunde bietet das «Kap der Guten Hoffnung» im Süden des Landes. Hier wachsen rund 8000 Pflanzenarten. Viele davon gedeihen nirgendwo anders auf der Welt. Als schöner Zwischenstopp bietet sich die Bucht Camps Bay an. Wegen ihrer weissen Sandstrände wird sie oft auch als Côte d’Azur Südafrikas bezeichnet.
Angekommen am Kap, ist ein Foto am Schild «Kap der Guten Hoffnung» obligatorisch. Danach geht es weiter zum Cape Point – einem Kliff am äussersten Südende der Kap-Halbinsel. Viele wähnen sich hier am südlichsten Punkt Afrikas. Doch dieser ist nicht am Kap der Guten Hoffnung, sondern am Kap Agulhas weiter östlich. Am Cape Point kann man neben steilen, zerklüfteten Felsen beobachten, wie der kalte Atlantik und der warme Indische Ozean miteinander verschmelzen.
Südafrikas Flora und Fauna fasziniert und beeindruckt. Aber: Dass in Teilen des Landes noch immer grosse Armut herrscht, gehört auch zur Realität – eine Folge davon erlebt unsere Gruppe hautnah im muslimischen Viertel in Kapstadt. Die Seitenscheibe unseres Busses ist eingeschlagen und sämtliches Gepäck durchwühlt worden. Es fehlen zwei Rucksäcke – inklusive Tablet-PC und Portemonnaie. Der Schock sitzt tief. Die unbeschwerten Stunden in der Natur haben uns vergessen lassen, dass wir ein Land mit sehr hoher Kriminalitätsrate bereisen. Unser Tourguide kann nicht fassen, dass ausgerechnet der Bus von Journalisten ausgeraubt wurde: «Wie sollen denn Touristen in unser Land kommen, wenn so etwas passiert?», sagt Andrew kopfschüttelnd. Er als weisser Südafrikaner kann nicht verstehen, warum seine Landsleute – ob nun weiss oder schwarz – so etwas tun.
Klar ist: Für die Reputation Südafrikas ist dieser Vorfall nicht vorteilhaft. Vergleicht man jedoch den eigenen Lebensstandard mit dem, was die Südafrikaner zu Zeiten der Rassentrennung durchmachen mussten, scheinen unsere gestohlenen Wertgegenstände belanglos.
Wer auf der Suche nach einem tierischen Abenteuer ist, kann wild lebende Brillenpinguine am Boulders Beach nahe Simon’s Town beobachten. Der geschützte Strandabschnitt ist etwa 45 Autominuten von Kapstadt entfernt. Zwischen abgerundeten Granitfelsen tummeln sich hier Tausende der putzigen Tierchen. Brillenpinguine sind die einzigen heute noch in freier Wildbahn lebenden Pinguine in Afrika. Ein Besuch dieser drolligen Tiere sollte darum bei keinem Südafrika-Besuch fehlen.
HINWEIS
Dieser Bericht kam aufgrund einer Einladung von Travelhouse zu Stande.
Stefanie Nopper