Brauchtum
Kwanzaa und die sieben Prinzipien für ein gutes Leben

Eine Woche lang feiert die afroamerikanische Bevölkerung ihr Kwanzaa. Trotz gewisser Parallelen haben diese auch als «black Christmas» bezeichneten Feierlichkeiten mit dem christlichen Weihnachtsfest nichts zu tun.

Andreas Faessler
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Vom 26. Dezember bis 1. Januar feiern viele Afroamerikaner Kwanzaa. Die sieben Kerzen mit den Farben Afrikas symbolisieren die sieben Prinzipien des Kwanzaa.

Vom 26. Dezember bis 1. Januar feiern viele Afroamerikaner Kwanzaa. Die sieben Kerzen mit den Farben Afrikas symbolisieren die sieben Prinzipien des Kwanzaa.

Bild: Getty

«Happy Kwanzaa from our family to yours.» Mit diesen Worten hat sich vor wenigen Tagen die designierte US-Vizepräsidentin Kamala Harris an die afroamerikanische Bevölkerung adressiert. Kwanzaa sei eine ihrer liebsten Kindheitserinnerungen, betonte sie.

Kwanzaa ist ein mehrere Tage dauerndes Fest, dessen Verbreitung sich weitgehend auf die Vereinigten Staaten von Amerika beschränkt, respektive fast nur von deren afroamerikanischen Staatsbürgern gefeiert und ausserhalb deren Kreisen erst in den vergangenen Jahren allmählich wahrgenommen wird – fälschlicherweise wird das Fest häufig als «afrikanische Weihnachten» oder «black Christmas» bezeichnet, doch hat es mit dem Fest der Geburt Jesu nichts gemein. In unseren Breitengraden ist Kwanzaa nach wie vor so gut wie unbekannt.

Der Stolz auf Kultur und Herkunft

Die Geschichte von Kwanzaa ist sehr jung und geht auf den afroamerikanischen Aktivisten Maulana Karenga (*1941) zurück, welcher das Fest anno 1966 ins Leben gerufen hat. Dies unter anderem als Antwort auf die folgenschweren Watts-Rassenunruhen in Los Angeles vom August 1965, einer Zeit, in der sich in den USA die Konflikte zwischen Schwarz und Weiss dramatisch häuften und zuspitzten. Karengas Absicht war es, die farbige Gemeinschaft ausserhalb Afrikas zusammenzubringen und sie als solche – wie auch in Familie und Kultur – zu stärken und ihren Stolz auf ihre Herkunft zu festigen. Karenga trug unterschiedliche Aspekte aus afrikanischen Erntebräuchen zusammen, welche hauptsächlich eine positive menschliche Grundeinstellung ausmachen, und formte aus ihnen die Grundgedanken von Kwanzaa. Der Begriff fusst im kiswahilischen Ausdruck «matunda ya kwanza» – «erste Früchte der Ernte».

Für das Verständnis und die Einordnung ist es zentral, dass Kwanzaa nicht als religiöses, sondern als rein kulturelles Fest zu rezipieren ist. Zwar sind alle Familien völlig frei, wie sie ihr Kwanzaa feiern möchten, doch traditionell gibt es dennoch Parallelen zur christlichen Weihnachten. So sind brennende Kerzen wichtiger Bestandteil des Festes, und am siebten und letzten Tag – am 1. Januar – beschenkt man sich. Weiter wird zu Kwanzaa ein Brauch gepflegt, der rituell demjenigen des christlichen Adventskranzes ähnelt: An jedem der sieben Tage wird eine Kerze angezündet, die Kerzenhalter (Kinara) erinnern dabei entfernt an die jüdische Menora. Die Kerzen tragen die Farben Afrikas – rot, schwarz, grün.

An jedem einzelnen der sieben Festtage steht ein weltanschauliches Grundprinzip (Nguzo Saba) im Zentrum, mit dem man sich gemeinsam auseinandersetzt und welches von einer der Kerzen repräsentiert wird: Es beginnt mit Umoja (Einigkeit). Es folgen Kujichagulia (Selbstbestimmung), Ujima (gemeinsame Arbeit und Verantwortung), Ujamaa (gemeinsames Wirtschaften als Grundlage des afrikanischen Sozialismus), Nia (Zweckbestimmung), Kuumba (Kreativität) und schliesslich Imani (Glaube). Mit Letzterem ist nicht religiöser Glaube gemeint, sondern der Glaube an die Bedeutung der Familie, der Gemeinschaft, des Volkes und der Kultur. Mit dem Beherzigen dieser sieben Grundsätze soll jeder Mensch – egal welcher Hautfarbe und Herkunft – in der Lage sein, ein gutes, erfülltes Leben zu führen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen, so der Gedanke von Kwanzaa.

Und dieser Gedanke schliesst per se jegliche Diskriminierung und Schubladisierung aus. Daraus resultiert eine zunehmende Wahrnehmung dieses säkularen Festes bei der breiten Öffentlichkeit. Es zieht immer mehr Menschen aller Ethnien und Religionen an, sie finden zusammen und feiern Kultur, Liebe und Einigkeit.

Ein Fest des Friedens, nicht frei von Kritik

Doch Kwanzaa beziehungsweise dessen Gründer Maulana Karenga wird mitunter auch mit kritischen Augen betrachtet, zumal er eine stark polarisierende, patriarchal orientierte Figur war und seine radikal-nationalistische Gesinnung damals nicht so friedlich gewesen sein soll, wie Kwanzaa sie vermittelt.

Karenga soll auch den Zeitpunkt von Kwanzaa bewusst in die liturgische Weihnachtszeit gelegt haben, quasi um damit das Christentum zu konfrontieren, welches einst einen grossen Teil der Greuel im Zusammenhang mit Kolonisierung und Sklaverei mitzuverantworten hatte. Doch die afroamerikanische Bevölkerung ist grossmehrheitlich christlich-gläubig, und viele von ihnen (miss)verstehen den Gedanken von Kwanzaa als latent antichristlich/antiweihnachtlich, weshalb bei weitem nicht alle im religiösen Glauben tief verwurzelten farbigen Amerikaner das siebentägige Fest zelebrieren.