Wenn uns der Nebel wieder einmal plagt, heisst es: ab in die Höhe. Weit muss man nicht reisen, auch in der Nähe locken unbekanntere Aussichtsberge. An diesen sechs Orten lassen sich Sonnenstrahlen einfangen.
Nun sind sie wieder da, die Tage, in denen wir in der grauen Suppe sitzen und die Nacht so früh hereinbricht. Das kann auf die Moral schlagen. Tief hängt der Nebel und legt sich wie ein bleierner Schleier nicht nur über die Landschaft, sondern auch auf die Seele. Der Nebel nimmt uns zuweilen nicht nur gedanklich die Weitsicht, er lässt auch die Natur, jeden Busch, jeden Baum, einsam erscheinen, wie es Hermann Hesse in seinem Gedicht «Im Nebel» beschreibt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, Im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
Hermann Hesse, November 1905
Auch wenn ein Nebeltag durchaus mystisch und meditativ sein kann: Wir wissen, wie es oben aussieht, und möchten nichts wie hin. Also los! Da lockt blauer Himmel und strahlender Sonnenschein. Vor allem aber: Wir stehen über dem Nebelmeer!
Wer die beliebten Aussichtsberge meiden möchte, findet auch in der Nähe zahlreiche Alternativen, die oft weit weniger überlaufen sind als etwa die Rigi, der Pilatus, der Säntis oder der Weissenstein. Am besten wirft man einen Blick auf die Webcam, die mittlerweile fast jeder Aussichtsberg auf seiner Website hat, um auf Nummer sicher zu gehen.
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Es wäre verlockend, bei der Schwägalp in die Luftseilbahn hinauf auf den Säntis zu steigen. Dort oben wird man bei gutem Wetter bestimmt über der Nebelgrenze sein. Wir entscheiden uns aber für den Kronberg, der stets etwas im Schatten des höchsten Berges im Alpstein steht. Von der Schwägalp nehmen wir daher die Naturstrasse Richtung Chamhaldenhütte – mit dem Säntis im Rücken. Bei der SAC-Clubhütte, die teilweise an den Wochenenden geöffnet ist, lohnt sich der Blick zurück, denn an der Flanke des Säntis lässt sich oft Wild beobachten.
Der Wanderweg wird nun schmaler und führt in den Bruggerwald hinunter, bevor er beim Langälpli wieder ansteigt. Hier kann es gut sein, dass in dieser Jahreszeit schon Schnee liegt und es rutschig ist. Bald wandert man dem Grat entlang bergauf und hat schon bald eine schöne Weitsicht. Man hat gute Chancen, die Wanderung nebelfrei zu geniessen, schliesslich sind wir auf 1350 Metern gestartet.
Oben auf dem Kronberg auf 1663 Meter über Meer hat man das Nebelmeer zu seinen Füssen und wird im Bergrestaurant mit einem «sönd willkomm» freundlich begrüsst. Wer das Nebelmeer noch mehr auskosten möchte, nimmt auf dem KronbergGipfel zusätzlich die schöne Rundpromenade mit den Liegen und Bänken unter die Füsse.
Ab Schwägalp 2 Stunden Wanderzeit oder mit der Luftseilbahn ab Jakobsbad, Berggasthaus Kronberg, www.kronberg.ch.
Wo ein Meer ist, gehören auch Strandkörbe hin. Auch wenn es sich rund um den Menzberg nur um ein Nebelmeer handelt und sich darunter die sanften Hügel des Napfgebiets verstecken. Aber sonnenbaden kann man auch hier – und erst noch mit Blick auf ein herrliches Panorama. Von Oktober bis März säumen mehrere Strandkörbe die Route und laden zum Rasten ein. Zwei ausgeschilderte Rundwege beim Dorf, für die man je etwa zwei Stunden benötigt, führen an den Körben vorbei.
Erreichbar ist das höchste Dorf am Napf und ehemaliger Luftund Molkenkurort auf 1016 Meter über Meer mit dem öffentlichen Verkehr. Oder aber man nimmt den Wanderweg ab Wolhusen unter die Füsse (3½ Std.). Am besten unternimmt man die abwechslungsreiche Tour unter der Woche, denn am Wochenende sind die Strandkörbe meist schon besetzt.
Ab Wolhusen 3½ Stunden Wanderzeit. Die Anreise mit dem öffentlichen Verkehr ist empfohlen, da die Parkplätze im Bergdorf begrenzt sind. www.menzberg-mit-weitsicht.ch.
Wie ein Riegel sperrt der Baselbieter Jura die Region Basel vom Schweizer Mittelland ab. Fast muss man sagen: zum Glück. Denn so brauchen die Nordwestschweizerinnen und -schweizer nicht unbedingt in die Alpen zu fahren, wenn sie dem Nebelmeer des Unterlandes entfliehen wollen. Es gibt ja die Wasserfallen. Und die lässt sich erst noch bequem erreichen mit einer Gondelbahn ab Reigoldswil.
Auch wenn die Krete nur knapp 1000 Meter hoch ist, liegt man doch oft über dem Nebel und hat eine gute Fernsicht auf die Alpenkette und den Schwarzwald. Wir nehmen den Rundweg ab der Bergstation bis zur Hinteri Egg und folgen ihm bis zum Chellenchöpfli. Via Passwang, mit 1204 Metern dem höchsten Punkt der Wanderung, führt der Weg wieder zur Gondelbahn zurück.
Rundwanderung 3 Stunden 10 Minuten, diverse Gastwirtschaften, www.wasserfallen.ch.
Wer das Nebelmeer vom Bachtel im Zürcher Oberland aus geniessen möchte, hat bei der Wegwahl die Qual. Fast sternenförmig führen die Wanderwege auf den 1115 Meter hohen Zürcher Hausberg. Man sollte unbedingt eine Route wählen (zum Beispiel ab Wald), die am sagenumwobenen Bachtelspalt vorbeiführt.
Schon die meterhohe Nagelfluh-Furche – die 1939 nach einem heftigen Gewitter entstanden sein soll und sich der Legende nach langsam schliesst– ist eine Wanderung wert. Auf dem Gipfel geniesst man den Ausblick auf Speer, Glärnisch und die Spitzen von den Zentralschweizer bis zu den Berner Alpen. Wer noch höher hinauf will, besteigt die 166 Stufen zur Aussichtsplattform.
Je nach Start 2 bis 3½ Stunden, Restaurant Bachtel-Kulm, www.bachtelkulm.ch.
Mit der nahe gelegenen Rigi kann es der Wildspitz von der Höhe her nicht ganz aufnehmen. Unterschätzen sollte man den höchsten Zuger Berg trotzdem nicht. Um auf den 1579 Meter hohen, kegelförmigen Gipfel zu gelangen und ein ebenso schönes Panorama zu erleben, kann man nicht einfach ein Bähnchen besteigen.
Die 1000 Höhenmeter ab Goldau, Sattel oder Unterägeri müssen mit eigener Muskelkraft geschafft werden. Also sollte man sich auf eine schweisstreibende Wanderung gefasst machen. Vor allem, wenn man auch noch den Weg übers Alplihorn wählt. Dort muss man zudem schwindelfrei und trittsicher sein, wartet doch dort ein spektakulärer Leiterweg. Eindrücklich ist auch die Abrisskante des Goldauer Bergsturzes beim Gnipen, der man je nach Routenwahl ziemlich nahekommt.
5–6 Stunden Wanderzeit, Berggasthaus Wildspitz, www.wildspitz.ch.
Man nennt den Ort oberhalb von Matt im Sernftal oft die Sonnenterrasse des Glarnerlands. Tatsächlich gelangt man mit der Luftseilbahn vom Tal im Nu auf die Weissenberge auf rund 1300 Metern hinauf, die oft oberhalb der Nebelgrenze liegen. Diverse Rundwege unterschiedlicher Länge sind hier durch die hübschen Streusiedlungen angelegt und erlauben den Rundblick in die Glarner Alpen.
Besonders schön ist die dreistündige Wanderung ab der Bergstation oberhalb des Bannwaldes von Matt Richtung Engisboden bis zum höchsten Punkt beim Altmannberg. Danach wandert man durch einen lichten Laubwald zuerst leicht absteigend, die letzten Kilometer allerdings ziemlich steil hinunter ins Tal nach Engi.
Berggasthaus Edelwyss, www.weissenberge.ch.