Der Autor ist Professor an der Universität Hamburg, mit einem Lehrstuhl für Internationale Wirtschaftsbeziehungen. In seiner Kolumne widmet er sich dem momentanen Hype von Kryptowährungen.
Der Bitcoin fährt Achterbahn. Einem rasanten Höhenflug folgte eine dramatische Talfahrt, dann ging’s erst wieder nach oben, nun wieder nach unten. Wann wäre der richtige Zeitpunkt einzusteigen, um von den von vielen in Aussicht gestellten sagenhaften Gewinnen der Kryptowährungen profitieren zu können? Gerade in einer Negativzinsphase, in der es von den Banken auf normale Spareinlagen nur noch hohe Gebühren, aber keine Zinsen mehr gibt, greifen viele nach allem, was Rettung vor einer Entwertung des Ersparten verspricht. Aber beim Bitcoin ist mehr als Vorsicht am Platz.
Dem Urteil von Agustin Carstens, Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, mangelt es nicht an Klarheit, was er von einer Achterbahnfahrt für Normalsterbliche hält: «Der Bitcoin ist Blase, Schneeballsystem und Umweltdesaster», sagte er Anfang Februar. Und er hat recht – auf der ganzen Linie.
Der Bitcoin ist eine Blase, weil er von viel heisser Luft aufgebläht wird. Er ist nichts mehr als ein Versprechen auf die Werthaltigkeit von Algorithmen. Beim Schweizer Franken, dem US-Dollar oder dem Euro sind Zentralbanken darauf verpflichtet, die Preisstabilität zu gewährleisten und damit die Bevölkerung vor einem Kaufkraftverlust ihrer Währung durch Inflation zu schützen. Das kann natürlich schiefgehen. Aber trotz mancher Fehler und bei aller durchaus berechtigten Kritik an ihrer Geldpolitik sind die staatlichen Währungshüter durch Gesetze, Parlamente und Öffentlichkeit kontrolliert.
Wer und was aber rechtfertigt ein Vertrauen in ein aus dem Nichts von unbekannten Privaten durch Algorithmen geschaffenes Geld? Bei Kryptowährungen herrschen Anonymität und Intransparenz. Niemand kennt die Hintermänner. Es kann beliebig viel neues Geld geschaffen werden, ohne dass Eigenkapital oder andere Sicherheiten unterlegt werden müssten. Zwar gilt bei Bitcoin ein Versprechen, dass das Angebot auf 21 Millionen Einheiten limitiert sein soll. Wer aber garantiert, dass die Begrenzung auch wirklich eingehalten werden wird, wer hat wo welchen Zugang zu den Quellprogrammen und den die Coins schürfenden Rechnern? Wer von den privaten Bitcoin-Herstellern würde bereit sein, die Kosten für mehr Sicherheit im Kampf gegen Cyberkriminalität zu übernehmen? Je erfolgreicher Kryptowährungen werden sollten, umso attraktiver wird es für Kriminelle, das System zu hacken, zu manipulieren und zum Interesse Einzelner zu missbrauchen.
Die Wirtschaftsgeschichte lehrt, dass immer wieder durchgeführte Experimente mit privaten Geldsystemen krachend gescheitert sind. Sie brachten erst Blasen, dann den Crash. Genau deswegen hat sich weltweit das Geldmonopol staatlicher Notenbanken durchgesetzt. Wie das Rechtssystem lässt sich eben auch das Geldwesen nicht privatisieren, ohne mehr neue Probleme zu schaffen, als alte zu lösen.
Der Bitcoin ist ein Schneeballsystem, weil bei privaten Kryptowährungen nur zwei Dinge sicher sind: Erstens, dass bei einem Crash die letzten Mitreisenden die grossen Verlierer sein werden. Und dass zweitens jene unbekannten Hintermänner die grossen Profiteure sind, die den Bitcoin in Umlauf bringen. Sie streichen sich den Gewinn des Geldschürfens ein. Er entspricht der Differenz zwischen Produktionskosten der Bitcoins und deren Ausgabepreis – eine Differenz, die momentan bereits ein paar IT-Freaks und deren Geldgeber zu Dollar-Milliardären gemacht hat. Es sind diese Träume auf Wiederholung, die Blasen entstehen und platzen lassen.
Schliesslich ist der Bitcoin in der Tat ein Umweltdesaster, weil seine Schürfung enorm viel Energie benötigt. Pro Jahr verbraucht das Bitcoin-Netzwerk etwa ungefähr so viel Strom wie Portugals Wirtschaft und Gesellschaft. Ob das nachhaltig ist, darf bezweifelt werden.
Alles in allem findet sich momentan nicht ein einziger Grund dafür, wieso Kryptowährungen staatliche Währungen ablösen sollten. Weder garantiert privates Geld mehr Stabilität noch geringere Risiken, weniger Volatilität oder einen geringeren Wertverlust als staatliche Zentralbanken. Vielmehr zeigt sich, dass Kryptowährungen sogar noch schlechter abschneiden als ihr ohnehin in den letzten Wochen ramponierter Ruf. Sie werden nur dann eine Chance haben, wenn sie als staatliche Währungen und nicht als privates Geld daherkommen.