Kolumne
Ich bin kein Topf ohne Deckel – über die Obsession mit der Paarbeziehung

In ihrer Kolumne «Liebes Leben, wir müssen reden» schreibt Social-Media-Redaktorin Maria Brehmer über alles, was das Leben schöner macht – und manchmal auch schwieriger. Heute: Warum wir alle glauben, dass der einzige Schlüssel zum Glück die Liebe ist.

Maria Brehmer
Maria Brehmer
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Sandra Ardizzone

Liebesfilme. Ich mag sie. Weil sie mich an verregneten Sonntagnachmittagen ganz wunderbar in den seichten Gewässern der oberflächlichen Unterhaltung dahindümpeln lassen. Meine Vorliebe für Schnulzen rührt vor allem daher, dass ich bei komplexen Filmen nicht so schnell durchblicke: «James Bond» begreife ich nie und «Matrix» musste ich mir ganze vier Mal anschauen, ehe ich kapierte, was real und was nicht oder nur so halb-real ist. Schrecklich!

Beim Plot von «Notting Hill» hingegen steige ich sofort: Süsser Buchhändler verliebt sich in emotional unterkühlte Schauspielerin, die nicht mit ihm zusammen sein kann, ehe sie begreift, dass sie ohne ihn nicht leben will. Keine offenen Fragen!

Die Suche nach der besseren Hälfte

Liebesfilme haben etwas gemeinsam: Ihre Protagonistinnen und Protagonisten sind immer in ihren entweder langweiligen oder viel zu gestressten Leben gefangen und mehr oder weniger unglücklich, ehe sie ihre «bessere Hälfte» daraus befreit. Erst durch die Frau lernt der Mann, dass es Wichtigeres gibt als seine Karriere, erst durch den Mann lernt die Frau, dass sie mehr Selbstvertrauen haben muss, um endlich ihren Traum vom eigenen Blumenladen zu erfüllen. Erst durch den anderen begreifen sie, dass ihnen etwas Essentielles fehlt: ein Mensch an ihrer Seite, der sie vervollständigt.

Die Handlungen sind so leicht verständlich, weil sie unserer Vorstellung von wahrer Liebe entsprechen: Bei aller Kompliziertheit ist sie am Schluss der einzige Schlüssel zum persönlichen Glück.

Paarbeziehung? Was sonst!

Als Single hatte ich erstmals im Leben das Gefühl, mir selbst zu genügen, und es war grossartig. Und doch war ich immer auch unruhig: Ich wusste, dass dies kein Zustand für die Ewigkeit war, irgendwann würde ich wieder in einer Paarbeziehung leben. Weil es einfach so ist. Weil es einfach so sein muss – auch, wenn ich mich gerade ziemlich wohl fühlte auf meinem «Selbstfindungs-Trip», wie meine Freunde mein Leben ohne Partner oft nannten.

In unserer Kultur ist man sich weitgehend einig darüber, dass, hat man sie noch nicht gefunden, man die Liebe doch zumindest suchen muss. Nicht nur in Liebesfilmen wird einem klar gemacht, dass die Paarbeziehung noch immer als die Lebensform schlechthin gilt.

Ein Fehler im System

Auch die Werbung («Mit diesem Super-Badreiniger können Sie getrost auch mal Ihrem Mann das Putzen überlassen»), Ferienangebote (ein Doppelzimmer ist einiges günstiger als ein Einzelzimmer) oder Verwandte («Na, wann bringst du endlich mal deinen Freund mit? Was, du hast keinen?») führen einem immer wieder vor Augen, dass man als Single ein Fehler in einem System ist, das die Liebe zum höchsten aller Gefühle kürt.

Kein schlimmer Fehler, aber einer, den es möglichst bald zu bereinigen gilt.

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Bin ich ohne Partner wirklich ein Topf ohne Deckel? Bin ich egoistisch, blind oder grundsätzlich auf dem falschen Weg, wenn ich Alleinsein genauso geniessen kann wie das Leben in einer Beziehung? Klar: Zu zweit geht vieles einfacher und ist vieles schöner. Die regelrechte Obsession mit der Partnersuche aber ist grösstenteils unserem Glauben an alte Rollenbilder geschuldet: Die Frau braucht einen Mann, um ihren grössten aller Wünsche nach Heirat und Kindern zu erfüllen und der Mann eine Frau, die ihm in seinem viel beschäftigten Leben den Rücken freihält.

Doch dieses Stereotyp passt nicht mehr in unser modernes Leben.

Auch Liebesfilme drehen sich fast ausschliesslich um die Suche nach dem passenden Deckel – und enden immer dann, wenn es eigentlich erst richtig losgeht: Wenn zwei Menschen zusammen kommen und, im besten Fall, aus der Verliebtheit Liebe wird. Doch ein Film darüber? Der wäre mir vermutlich zu kompliziert.