In ihrer Kolumne «Liebes Leben, wir müssen reden» schreibt Social-Media-Redaktorin Maria Brehmer über alles, was das Leben schöner macht – und manchmal auch schwieriger. Heute: Was Du-Botschaften mit der Beziehung machen.
«Du hast mich den ganzen Abend lang ignoriert. Du hast dich überhaupt nicht um mich gekümmert, nicht ein einziges Mal hast du die Hand zu mir rübergestreckt, geschweige denn mich geküsst. Bin ich dir eigentlich völlig egal?» – «Nein, der Blazer ist eindeutig dunkelblau, nicht schwarz. Du bist doch farbenblind, wenn du glaubst, dieser Blazer sei schwarz. Wieso glaubst du mir eigentlich nie, wenn ich dir etwas sage?»
Ich wohne in der Altstadt, und wer in der Altstadt und somit verdichtet wohnt, bekommt viel mit vom Leben der anderen. Wenn meine Nachbarn streiten, entgeht mir das nie, und ich gebe zu: Wenn ich höre, wie jemand streitet, dann lausche ich. Nie sonst erfahre ich so Intimes aus dem Beziehungsleben von Fremden. Es lehrt mich einiges.
Zum Beispiel, wie boshaft Paare ihre Streits austragen – ich erschrecke immer wieder. Es bringt mich dazu, mir ernsthafte Gedanken darüber zu machen, wie ich selbst so drauf bin in Sachen Konfliktlösung in Beziehungen. Mache ich auch so viele Vorwürfe? Kann ich auch so eklig sein?
Ich wünschte, es wäre anders, doch die Antwort lautet Ja. Ja, ich führte oft Diskussionen über mein vermeintlich unpassendes Verhalten oder jenes meines Partners. Oder über meine schlechten Gefühle, für die ich meinen Partner verantwortlich machte. Im Laufe meines Liebeslebens sandte ich unzählige Du-Botschaften aus: Du hörst mir nicht zu, du zeigst mir deine Liebe zu selten, du solltest deine Mutter öfter anrufen.
Ich schäme mich dafür. Für die vielen Male, als ich mein Ego mit dem guten Gefühl fütterte, eine Sache besser gewusst zu haben als mein Freund. Oder dafür, dass ich den Mann, den ich doch eigentlich so gerne mochte, gerne ein bisschen anders gehabt hätte, als er nun mal war.
Hier finden Sie alle Kolumnen von «Liebes Leben, wir müssen reden».
Meine Nachbarn, ich – fast alle werfen wir uns hin und wieder allerlei Dinge an den Kopf. Wie viel Selbstreflexion brauche ich eigentlich noch?
Den Partner verändern zu wollen, ist nicht nur egoistisch, sondern zerstört, früher oder später, auch die Liebe.
Was mir meine Nachbarn vormachen – und was ich von mir selbst kenne – bestätigen Studien: Du-Botschaften, die nichts anderes sind als in Worte verpackte Unzufriedenheit, dem Partner als Vorwurf entgegengeschleudert, verhärten die Fronten, verhindern die offene Kommunikation und führen schliesslich zu Entfremdung. Ein Paar aus meiner Nachbarschaft, das laufend über kleine Dinge stritt, trennte sich kürzlich.
Kaum jemand reagiert auf eine Du-Botschaft interessiert oder kooperativ – egal, wie gerne man den Absender der Botschaft auch hat. Stattdessen geht man zum Gegenangriff über oder zieht sich emotional zurück.
Dass mir meine Nachbarn den Spiegel vorhalten, ist gut: Ich gestehe ein, dass ich zu oft recht haben muss. Ich will das ändern. Einer der besten Gründe dafür, von meiner Besserwisserei endlich abzulassen, bist übrigens Du.