Rückerstattung bei Zugverspätung: Ein schwacher Trost

Sven Altermatt.
Wenn es um die sagenhafte Pünktlichkeit geht, gibt es hierzulande kein Pardon. Schon gar nicht bei der Bahn. Die Schweizer Züge sind europaweit die pünktlichsten – dieser Satz ist tief in der helvetischen DNA verankert. Die SBB selbst haben den Anspruch, immer noch pünktlicher zu werden. Sie wenden strengste Kriterien an, um Verspätungen zu messen: Pünktlich ist ein Zug dann, wenn er am Zielort weniger als drei Minuten zu spät ankommt. So gilt etwa in Deutschland alles unter sechs Minuten als pünktlich. Kein Wunder, kommt es für Schweizer Pendler einer kleinen Katastrophe gleich, wenn sich Verspätungen einmal häufen. Kein Wunder, berichten ausländische Medien verwundert über die «ungewohnte Unpünktlichkeit», wenn die Pünktlichkeitswerte zurückgehen. Kein Wunder, reagieren die SBB eher gereizt auf Kritik bei Verspätungen.
Umso überraschender nun die Ankündigung von SBB-Chef Andreas Meyer: Die Bundesbahnen wollen bei Zugausfällen oder massiven Verspätungen künftig Entschädigungen auszahlen – nicht mehr nur Kaffeebons verteilen. Was auf den ersten Blick nur begrüsst werden kann, ist bei genauerer Betrachtung eher heisse Luft. Zum einen hat das Bundesparlament kürzlich ohnehin beschlossen, dass enttäuschte Passagiere entschädigt werden sollen. Die SBB reagieren faktisch also auf politischen Druck. Zum anderen werden Entschädigungen wohl erst bei zünftigen Verspätungen von mehr als einer Stunde ausbezahlt werden. Für die an Pünktlichkeit und Taktfahrplan gewohnten Schweizer sind die neuen Regeln darum vorab eines: ein schwacher Trost, wenn mal wirklich kein Zug fährt.