Kommentar
Solidarität mit Verdingkindern: Es geht um das Wort

9000 Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen haben sich bis Ende März beim Bund für eine Entschädigung gemeldet. Bis jetzt hat das zuständige Bundesamt rund 1800 Gesuche bearbeitet. Die Opfer nicht lange warten zu lassen, ist auch eine Frage des Respekts.

Balz Bruder
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Es dauerte lange, sehr lange, bis eine politische Lösung gefunden war. Doch dann ging es plötzlich schnell. Die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen erlebten nicht nur die Anerkennung des Unrechts, das ihnen widerfahren war, sondern kamen auch in den Genuss von Solidaritätsbeiträgen. Keine Wiedergutmachung, sondern ein spürbares Zeichen dafür, dass viele Menschen in diesem Land während Jahrzehnten Opfer behördlicher Willkür geworden waren.

Auch wenn sich insgesamt weniger Opfer als erwartet gemeldet haben, um einen Solidaritätsbeitrag geltend zu machen: Es schien, als käme das, war früher verbrochen worden war, im Rahmen des Möglichen, versteht sich, einigermassen in Ordnung. Dem ist leider nicht so – wenigstens nicht in allen Teilen. Zu viele Opfer, zahlreiche von ihnen im fortgeschrittenen Alter, warten immer noch auf den Beitrag, der ihnen zusteht.

Dass der Initiant der Wieder­gutmachungs-Initiative noch einmal für seine Sache – und vor allem für jene der Opfer – Druck machen muss, ist kein gutes, aber ein nötiges Zeichen. Bei allem Verständnis für die schwierigen Abklärungen, die bei der Beurteilung der Gesuche zu treffen sind, steht doch eines im Vordergrund: Jene, die den Mut gefasst haben, sich just an jene Behörden zu wenden, die Jahre und Jahrzehnte zuvor für das Unrecht verantwortlich waren, dürfen nicht jene sein, die abermals nicht oder zu spät bekommen, was ihnen zusteht.

Es ist nicht nur eine Frage der Zeit, sondern vor allem auch eine des Respekts, die Opfer nicht länger als nötig warten zu lassen auf das, worauf sie Anspruch haben. Der Bund steht im Wort und in der Pflicht.

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