Die Ehe für alle ist gottgewollt, schreibt der Pfarrer Josef Hochstrasser. Anders sieht es mit der Samenspende aus: Wer zur Achtung für die Natur aufruft, kann sie unmöglich gutheissen.
Es waren Männer, welche die Bibel schrieben. Sie glaubten zwar, im Namen Gottes zu handeln, reagierten aber mit ihren Schriften auf Probleme ihrer Zeit und rückten dabei ihre irdischen Interessen ins Zentrum. Ein Beispiel? Die neolithische Revolution leitete die Sesshaftigkeit des Menschen ein. Alttestamentlichen Autoren bot sich mit diesem Wandel die Gelegenheit, eine hierarchische Gesellschaft samt Patriarchat und Unterdrückung der Frau zu propagieren. Als gottgewollt galt nur eine Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. Mit dem vordringlichen Ziel: «Vermehret euch!».
Das traditionelle Ehekonzept der monotheistischen Religionen galt als unumstösslich, bis die Säkularisierung diese Alleingültigkeit bestritt. Die Ehe zwischen Mann und Frau ist kulturbedingt. Ihre Form ist wandelbar. Selbst Christinnen und Christen müssten der aktuellen Forderung nach einer Ehe für alle zustimmen. Das zentrale Argument ist die Liebe zweier Erwachsener auf der Basis einer verantwortungsvollen Sorge füreinander. Zwei Menschen, gleich welcher sexuellen Ausrichtung, die eine Partnerschaft gründen wollen, sollen vom Staat als Ehepaar rechtlich anerkannt und von den Kirchen ohne Einschränkung getraut werden.
Fundamentalistische Gläubige werden einwenden, die Ehe sei laut Bibel nur zwischen Mann und Frau erlaubt. Doch die Bibel ist Menschenwort, untersteht also dem Wandel. Das Neue Testament hat einen Entstehungsprozess von vierhundert Jahren durchgemacht. Entsprechend müsste die Bibel auf dem Hintergrund des Bewusstseins einer Gesellschaft im 21. Jahrhundert im Hinblick auf die Ehe für alle ebenso weiterentwickelt werden, wie sie dies schon in den ersten vier Jahrhunderten erfuhr.
Während ich die Ehe für alle befürworte, lehne ich eine Samenspende für lesbische Paare ab. Ich nenne drei Gründe.
Erstens: Zu Recht bekommt die Natur wieder Respekt. Sie ist die Grundlage unserer menschlichen Existenz. Die Natur sieht nicht vor, dass zwei weibliche Lebewesen sich ohne männliches Zutun fortpflanzen. Wer heute zur dringenden Achtung vor der Natur aufruft, muss dieses Faktum anerkennen und konsequent danach handeln. Wie kann man für die Rechte der Natur auf die Strasse gehen und gleichzeitig eines ihrer Grundgesetze kaltschnäuzig missachten?
Zweitens: Es ist als ob die Befürworterinnen einer Samenspende für lesbische Paare sich des geflügelten Wortes von Goethe bedienten: «Und bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt». Mit Gewalt nehmen sie sich, was die Natur nicht hergibt. Sie führen sich als Macher auf, was traditionell Männern angelastet wird.
Macher agieren seelenlos und ohne verantwortungsbewusste Ethik. Die Natur verkümmert zum manipulierten Objekt von Technikerinnen und Technikern. Sie tricksen die Natur aus und operieren als Krone der Schöpfung, was dem Menschen niemals zusteht. Die Insemination für ein heterosexuelles Paar ist allerdings legitim, weil damit der Natur bloss unterstützend nachgeholfen wird.
Drittens: Die Forderung einer Samenspende für lesbische Paare wirft die Frage auf: Wo soll der Mensch sich selber Grenzen setzen? Der Mensch soll sehr wohl forschen und in neue Räume vorstossen. Er muss sich aber stets fragen: Soll ich alles, was ich machen könnte tatsächlich auch technisch und wirtschaftlich umsetzen?
Eine humanistische Ethik hat ihn dabei zu führen. Beispiel: Die Entdeckung der Atomkernspaltung ist ein Meilenstein der Naturwissenschaften. Eine Grenze des Wissens ist damit durchbrochen. Das ist legitim. Der militärischen Umsetzung dieses Wissens in Form von Atombomben müsste aber noch jetzt konsequent eine Grenze gesetzt werden.
Auf dem Weg zu einer grenzenlosen Gesellschaft, beflügelt von einer krankhaften Egozentrik, könnte bald die Forderung nach einer Ehe zwischen einem Menschen und seinem geliebten Pferd erhoben werden. Ist das wirklich erstrebenswert?