Kommentar
Amtliche Verteidigung: Im Zweifel für den Angeklagten

Die Staatsanwaltschaft Luzern hat einem mutmasslichen Einbrecher keinen amtlichen Verteidiger zugestanden. Dies obwohl der Beschuldigte weder deutsch lesen noch schreiben kann. Das Kantonsgericht entschied anders. Aus nachvollziehbaren Gründen, findet Lena Berger, stellvertretende Leiterin Zentralschweiz am Sonntag.

Lena Berger
Drucken
Lena Berger

Lena Berger

Staatsanwaltschaft und Gerichte sind täglich mit der Frage konfrontiert, ob einer mittellosen beschuldigten Person ein amtlicher Verteidiger zusteht oder nicht. Klar ist der Fall, wenn der Person ein schweres Verbrechen vorgeworfen wird, bei dem eine Freiheitsstrafe über vier Monaten droht: Dann wird Betroffenen, die sich keinen Verteidiger leisten können, immer auf Kosten des Staates ein Anwalt zur Seite gestellt. Man spricht von einer rechts­staatlich «notwendigen Verteidigung».

Was aber, wenn im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe von drei Monaten droht? Auch ein solches Urteil hat einschneidende Konsequenzen für den Betroffenen. Er wird vielleicht seinen Job verlieren. Ganz zu schweigen von seinem guten Ruf. Dabei kann es ja durchaus sein, dass er unschuldig ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten ist. Mittellose Beschuldigte haben daher auch in Fällen von mittlerer Schwere einen Anspruch auf einen Anwalt. Allerdings nur, wenn sie sich nicht selber verteidigen können.

Die Kosten allein dürfen kein Argument sein

Stellt sich die Frage: Welches Rüstzeug braucht ein juristischer Laie, um seine Rechte in einem Strafverfahren selber wahrnehmen zu können? Klar ist – könnte man meinen: Wenn ein Mensch nicht in der Lage ist, Akten zu lesen und Anträge zu schreiben, dann wird er sich wohl kaum selber verteidigen können. Doch auch darüber kann man sich streiten. Die Staatsanwaltschaft Luzern war kürzlich jedenfalls der Meinung, es reiche zur Wahrung der Verteidigungsrechte aus, wenn man einem mutmasslichen Einbrecher, der kein Deutsch kann, bei den Befragungen einen Dolmetscher zur Seite stelle.

Angesichts der grossen Zahl der Straf­verfahren und der Tatsache, dass die Kosten nur selten erfolgreich zurückgefordert werden können, ist eine strenge Praxis bei der Gewährung einer amtlichen Verteidigung ­ in gewisser Weise nachvollziehbar. Dennoch hat das Kantonsgericht die Staatsanwaltschaft im konkreten Fall gestoppt. Es bezweifelt, dass der Mann in der Lage ist, ­ sich ohne Anwalt gegen die Vorwürfe der ­Staatsanwaltschaft zu wehren. Und diese richter­lichen Zweifel gehen zu Gunsten des Beschuldigten. Das macht Sinn. Und stärkt das Vertrauen der Bevölkerung, dass Strafverfahren in der Schweiz fair ablaufen.