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Die Ostschweizer Ständerätin Karin Keller-Sutter gilt schon lange als Kronfavoritin für die Nachfolge von Johann Schneider-Ammann. Das ist aber gleichzeitig auch ihr grösstes Problem.
Johann Schneider-Ammann tritt zurück. Was viele Polit-Beobachter schon seit längerem erwartet hatten, trat am Dienstag ein. Der Wirtschaftsminister verkündete im Parlament, dass er nur noch bis Ende Jahr im Amt bleiben werde.
Wer wird sein Nachfolger, seine Nachfolgerin? Derzeit richten sich alle Blicke auf Karin Keller-Sutter. Das ist nicht überraschend, denn die Ostschweizerin bringt fast alles mit, was es für dieses Amt braucht: Exekutiv-Erfahrung als langjährige St.Galler Regierungsrätin, Dossier-Sicherheit in den verschiedensten Themen, Eloquenz, ein stilsicheres und gewinnendes Auftreten, Vernetzung in der Wirtschaft dank zahlreicher Verwaltungsratsmandate.
Egal, mit wem man spricht: Keller-Sutter gilt bereits jetzt als eine der einflussreichsten Politikerinnen unter der Bundeshauskuppel. Seit der Wahl in den Ständerat 2011 hat sie auch ihr grösstes Manko ausgebügelt, das ihre Bundesrats-Kandidatur 2010 noch scheitern liess: Ihre fehlende Vernetzung im Parlament. Stiess ihre Bundesrats-Kandidatur damals wegen ihres Images als rigoroser Sicherheitspolitikerin vor allem im linken Lager auf Skepsis, dürfte sich auch das in der Zwischenzeit geändert haben. Mit Ständerats-Kollege Paul Rechsteiner verfügt Keller-Sutter bei der SP zudem über einen gewichtigen Fürsprecher. Auch ihre Kandidatur als Ostschweizer Frau ist ein grosser Vorteil. Der Anspruch unseres Landesteils, wieder einmal im Bundesrat vertreten zu sein, wird ebenso anerkannt wie der Anspruch der Frauen. Mit Simonetta Sommaruga und Doris Leuthard, deren Rücktritt auch unmittelbar bevorzustehen scheint, sind derzeit nur noch zwei Politikerinnen im Bundesrat vertreten.
Keller-Sutters Vorzüge sind gleichzeitig aber auch ihr grösstes Problem:
Sie wird schon dermassen lange als Kronfavoritin für Schneider-Ammanns Nachfolge genannt, dass man sich zuweilen fragt, was überhaupt noch dazwischen kommen, was ihre Wahl noch scheitern lassen könnte.
Doch nicht immer hat sich das Parlament in der Vergangenheit für den besten, die beste Kandidatin, für die logischste Wahl entschieden. Hier spielen manchmal auch Neid und Missgunst eine Rolle. Ein Jahr vor den eidgenössischen Wahlen wollen die anderen Parteien der FDP vielleicht nicht den Gefallen tun, ein Zugpferd, eine Vorzeige-Politikerin in den Bundesrat zu wählen.
Und dann ist da natürlich auch Karin Keller-Sutter selber. Um ein zweites Mal zu kandidieren, braucht es mit Sicherheit mehr Überwindung als beim ersten Mal. Keine Politikerin – vor allem wenn es sich um eine vom Format Keller-Sutters handelt - will als diejenige in die Geschichte eingehen, die zwei Mal erfolglos für den Bundesrat kandidierte. Darum wird die einflussreiche wie ehrgeizige Ständerätin aus Wil wahrscheinlich nur dann nochmals antreten, wenn sie aus Partei und Parlament solide Anzeichen erhält, dass sie es diesmal tatsächlich schafft. Ob ihr vor allem die FDP diese geben will, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.
Eine bessere Kandidatin, ein besserer Kandidat für Schneider-Ammanns Nachfolge lässt sich unter der Bundeshauskuppel jedoch kaum finden.