Das Ja zum Verhüllungsverbot im Kanton St. Gallen zeigt, dass die Skepsis gegenüber dem Islam nach wie vor gross ist. Doch Integrationsprobleme werden so nicht gelöst.
Das deutliche Ja zum Verhüllungsverbot im Kanton St. Gallen zeigt vor allem eines: Das Thema Islam zieht an der Urne nach wie vor. Vordergründig geht es um ein allgemeines Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum. Gemeint sind aber in erster Linie verschleierte muslimische Frauen. Es ist kein Zufall, dass meist von einem Burka-Verbot die Rede ist. Die Vorbehalte gegenüber dem Islam sind nach wie vor gross – obwohl es in der Schweiz zum Glück noch keinen islamistischen Terroranschlag gegeben hat.
Ähnlich wie bei der Minarett-Initiative vor neun Jahren geht es bei Verhüllungsverboten vor allem um Symbolpolitik. Und um Identitätsfragen. Es werden kulturelle Argumente ins Feld geführt. Es sei in unserer Hemisphäre eine Frage des Anstands, dass man einander ins Gesicht schauen kann. Das Argument ist nicht falsch. Nur gibt es in der Schweiz, abgesehen von den aus wirtschaftlichen Gründen durchaus gern gesehenen Touristinnen aus dem arabischen Raum, kaum Frauen, die mit einer Vollverschleierung im öffentlichen Raum auftreten. Im Tessin gilt das Verhüllungsverbot seit zwei Jahren. Das Resultat: 37 Verfahren. Betroffen davon sind in erster Linie vermummte Fussball-Hooligans. Fälle von verschleierten Frauen sind an einer Hand abzuzählen.
Trotzdem wird die bereits lancierte nationale Verhüllungsverbots-Initiative gute Chancen haben. Und in einer direkten Demokratie hat das Volk das letzte Wort. Es stellt sich indes die Frage, ob wir die für die politische Auseinandersetzung benötigten Ressourcen nicht sinnvollerweise für sachlich wichtigere Fragen verwenden sollten. Es gibt tatsächlich Integrationsprobleme in der Schweiz. Aber mit einem Burka-Verbot lösen wir sie nicht.