Im Fussball oder Eishockey gehört Trash-Talk schon etwas zur Kultur des Sports. Nun hat Nick Kyrgios dies mit seinem verbalen Fehltritt gegen Wawrinka auch im Tennis eingeführt – und damit eine Grenze überschritten.
Rafael Nadal zupft vor jedem Aufschlag seine Kleider zurecht und prellt den Ball gefühlte 56-mal, ehe er zur Tat schreitet – und entnervt damit seine Kontrahenten. Novak Djokovic verschwindet gerne mal zur Pflege einer plötzlich auftretenden Blessur in der Kabine, wenns ihm nicht läuft, um den guten Lauf des Gegners zu brechen. John McEnroe legte sich früher häufig und gerne mit Schieds- und Linienrichtern an. Psychospielchen gehören im Tennis zum Alltag. Psychospielchen gibt es überall im Spitzensport, wo es um viel Geld geht. Wer erfolgreich sein will, muss auch mentale Stärke beweisen.
Ein spezielles Segment dieser Psychospielchen stellt der sogenannte «Trash-Talk» (Müll-Sprache) dar. Im Fussball und besonders im Eishockey sind Sprüche unter die Gürtellinie des Gegners an der Tagesordnung. Provokationen sind im intensiven, oft körperbetonten Kampf Mann gegen Mann auf dem Spielfeld kaum zu vermeiden. Wer den gegnerischen Schlüsselspieler mit verbalen Attacken aus dem Konzept bringen kann, der verschafft sich einen Vorteil. Es ist nicht schön, gehört aber ein wenig zur Kultur des Sports. Bösewichte, die Meister-Provokateure, braucht jedes Team, wenn es erfolgreich sein will.
Tennis verströmt immer noch die Aura einer Sportart, die von ihrer Tradition lebt und entsprechend Wert legt auf Rituale und Umgangsformen. Und kein Spieler verkörpert diese Werte besser als Roger Federer. Es gibt Leute, die sagen, dass ungehobelte Typen wie Kyrgios der mitunter zu braven und somit auch langweiligen Tennis-Szene guttun. Aber wollen wir wirklich, dass sich Spieler in Zukunft gegenseitig in aller Öffentlichkeit verbal zur Schnecke machen? Nein danke. Kyrgios, der erst 20 Jahre alt ist und wegen seiner miserablen Umgangsformen schon einiges auf dem Kerbholz hat, gehört für sein Verhalten bestraft. Und zwar hart. Müll hat keinen Platz auf dem Tennis-Platz.