Pro & Contra
«Mehr Leben retten» oder «Zwangs-Organspende»? Weichelt und Aeschi zur Änderung des Transplantationsgesetzes

Am 15. Mai stimmt die Schweizer Bevölkerung über die Änderung des Transplantationsgesetzes ab. Wird die Vorlage angenommen, gilt künftig die sogenannte erweiterte Widerspruchslösung. Grüne-Nationalrätin Manuela Weichelt befürwortet diese, SVP-Nationalrat Thomas Aeschi lehnt sie ab.

Manuela Weichelt und Thomas Aeschi
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Soll die erweiterte Widerspruchslösung eingeführt werden? Nationalrätin Manuela Weichelt (Grüne) und Nationalrat Thomas Aeschi (SVP) sind sich nicht einig.

Soll die erweiterte Widerspruchslösung eingeführt werden? Nationalrätin Manuela Weichelt (Grüne) und Nationalrat Thomas Aeschi (SVP) sind sich nicht einig.

Bildmontage: CH Media

PRO: Manuela Weichelt, Nationalrätin Grüne

Das Parlament stimmte der Änderung des Transplantationsgesetzes mit grossem Mehr zu. Erklärtes Ziel: Mehr Leben retten. In der Schweiz soll, wie auch in den meisten Nachbarländern, die erweiterte Widerspruchslösung gelten.

Manuela Weichelt, Grüne-Nationalrätin aus Zug.

Manuela Weichelt, Grüne-Nationalrätin aus Zug.

Bild: zVg

Pro Woche sterben in der Schweiz eine bis zwei Personen, weil sie keine passende Organspende erhalten. Ende 2021 warteten 1434 Frauen, Männer, Kinder auf ein Organ. Nur 587 Transplantationen konnten durchgeführt werden. Eine Organtransplantation schenkt Patientinnen und Patienten eine neue Perspektive auf ein normales und schmerzfreies Leben. Rund 80 Prozent unserer Bevölkerung stehen einer Organspende positiv gegenüber, doch nur wenige füllen tatsächlich auch einen Organspendeausweis aus.

Bei einem Ja zum Transplantationsgesetz gilt künftig die erweiterte Widerspruchslösung: Die Organentnahme ist zulässig, sofern sich die verstorbene Person zu Lebzeiten nicht dagegen ausgesprochen hat – und sofern auch die Angehörigen keine Anzeichen haben, dass die verstorbene Person keine Organentnahme gewollt hätte. Findet sich kein dokumentierter Willen, so werden – wie bisher – die Angehörigen befragt. Sie können einer Entnahme von Organen widersprechen, wenn dies dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person entspricht. Gibt es weder einen geäusserten Willen noch Angehörige, die befragt werden können, ist eine Entnahme der Organe nicht möglich. Die persönliche Entscheidung für oder gegen eine Spende von Organen und Geweben wird in einem Register festgehalten und kann jederzeit geändert werden.

Das Gesetz stellt zudem sicher, dass die Bevölkerung über den Wechsel zur erweiterten Widerspruchslösung informiert ist. So kann auch sichergestellt werden, dass möglichst viele Personen ihren expliziten Willen für oder gegen eine Organspende festhalten. Dieser Wille kann neu in einem vom Bund geführten Register eingetragen werden, was auch bezüglich des Datenschutzes eine Verbesserung gegenüber dem Status Quo darstellt.

CONTRA: Thomas Aeschi, Nationalrat SVP

Für die Organentnahme galt bis anhin die Zustimmungsregelung, bei der die verstorbene Person vor ihrem Tod der Organentnahme zustimmen musste. Neu soll die Widerspruchsregelung gelten, bei der jede Person, die nicht zu Lebzeiten einer Organspende widersprochen hat, automatisch zum Organspender wird.

Thomas Aeschi, SVP-Nationalrat aus Baar.

Thomas Aeschi, SVP-Nationalrat aus Baar.

Bild: Keystone

Folgende Gründe sprechen gegen die Zwangs-Organspende: Erstes gilt in der Medizin das Prinzip, dass es für jede medizinische Handlung eine ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person braucht. Zweitens garantiert Artikel 10 der Bundesverfassung das Recht auf «persönliche Freiheit» und «körperliche Unversehrtheit». Mit der Zwangs-Organspende würde dieses Prinzip verletzt: Das Eigentumsrecht des Menschen über seinen eigenen Körper ist das elementarste Freiheitsrecht überhaupt.

Drittens müssten bei einem schweren Unfall eines Kindes die Eltern (oder in anderen Fällen der Ehepartner oder die eigenen Kinder) unter viel Zeitdruck über die Organentnahme entscheiden. Damit wird auf die Entscheidungsträger in einer bereits äusserst belastenden Situation zusätzlich Druck aufgebaut, sich «solidarisch» zu verhalten.

Viertens müssten bei der Widerspruchsregelung alle Personen in der Schweiz lückenlos darüber informiert werden, dass, wenn sie ihre Organe nicht spenden wollen, sie zu Lebzeiten schriftlich widersprechen und sich in ein Register eintragen lassen müssen. Wie die Mängel während der Corona-Pandemie gezeigt haben, ist dies nicht realistisch. Schliesslich wird der in der Medizin geforderte «informed consent» bei der Organentnahme nur bei gewissen Bevölkerungsgruppen erreicht werden. Organe würden entsprechend entnommen, ohne dass die Betroffenen wussten, dass sie indirekt Ja gesagt haben.

Bitte stimmen Sie Nein zum Transplantationsgesetz. Ich bin der Meinung, dass weiterhin jeder Mensch persönlich über seinen eigenen Körper entscheiden soll. Dass der eigene Körper im Todesfall automatisch durch den Staat verwendet werden darf, lehne ich aus ethischen und religiösen Gründen ab.