Mit 72 Prozent Nein-Stimmen lehnten die Schweizerinnen und Schweizer im Frühling 2018 die No-Billag-Vorlage ab, die das Ende der SRG bedeutet hätte. Es war ein Vertrauensbeweis für den öffentlichen Rundfunk. Er ist ihm nicht gut bekommen.
An der Spitze machte sich Selbstzufriedenheit breit. Es sank das Verständnis dafür, dass die Loyalität der Gebührenzahler nicht eingefordert werden kann. Sie muss erkämpft werden, mit guten Programmen und einer möglichst offenen Kommunikation über die öffentliche Anstalt.
Als im vergangenen Herbst die Belästigungsaffäre über die SRG hereinbrach, reagierte Generaldirektor Gilles Marchand zunächst erstaunlich nonchalant. Dabei war er es, der das Westschweizer Fernsehen während 16 Jahren geführt hatte. In dieser Zeit herrschte in Genf ein Arbeitsklima, in der die Herabsetzung von Frauen zur Tagesordnung gehörte.
Die Vorwürfe betreffen auch Mitarbeiter aus der engeren Entourage Marchands. Inzwischen sind es 230 Personen, die in einem Anwaltsbüro ihre Erlebnisse geschildert haben. Die Berichte liegen bald vor. Es wäre ein Wunder, wenn sich Marchand als SRG-Chef halten könnte. Er trägt die Verantwortung dafür, dass weibliche Angestellte in Genf in einem Umfeld arbeiten mussten, in dem sie nicht genug respektiert wurden.
SRF-Direktorin Nathalie Wappler bemüht sich derweil, eine Beschaffungspleite schönzureden. Das Schweizer Fernsehen versenkt pro Monat 400'000 Franken an Gebühren, um defekte Fernsehstudios zu flicken.
Den Entscheid für die widerborstige Technologie fällte Wapplers Vorgänger. Umso leichter wäre es für sie, hinzustehen und zu erklären, was aus welchem Grund schiefläuft. Stattdessen hält sie ihre Medienstelle dazu an, Nebelpetarden zu zünden.
Wappler forciert bei SRF die Digitalisierung. Sie tut das so stürmisch, dass nicht nur das Publikum nicht mitkommt – auch viele Angestellte verstehen nicht, wo die Reise hingeht. Es verbreitet sich der Eindruck, dass Service-public-Formate geopfert werden, ohne dass auf digitalen Kanälen Gleichwertiges nachkommt. So verliert die SRG die Legitimation, Gebühren einzuziehen. Würde heute über die SRG abgestimmt – sie käme nicht annähernd auf 72 Prozent Unterstützung.