In der aufwühlenden Dokumentation «Cahier africain» gibt Heidi Specogna den Opfern von Kriegsverbrechen ein Gesicht.
Auf das karierte Schulheft mit den eingeklebten Fotos und den handschriftlichen Notizen von 300 Betroffenen stiess Heidi Specogna zufällig bei den Dreharbeiten für ihren Dokfilm «Carte Blanche» (2011). Dafür begleitete sie Ermittler des Internationalen Strafgerichtshofes von Den Haag in die Zentralafrikanische Republik.
Das Heft dokumentiert die Gräueltaten und systematischen Vergewaltigungen, denen die Bevölkerung 2002/03 durch die Truppen des kongolesischen Warlords Jean-Pierre Bemba ausgesetzt waren. Das «Cahier» landete als Beweismittel in Den Haag, doch die Gesichter der darin aufgeführten Opfer, meist Frauen, liessen Specogna nicht mehr los.
Specogna kehrte nach Zentralafrika zurück, ursprünglich mit der Idee, die betroffenen Frauen beim Aufbau eines neuen Lebens zu porträtieren. Doch mitten in den Dreharbeiten brachen 2012 erneut heftige Kämpfe im Land aus. Die Frauen und ihre Familien gerieten wiederum zwischen die Fronten, diesmal vor allem wegen grosser ethnischer Spannungen zwischen Muslimen und Christen. So entstand ihr neuer Film «Cahier africain».
Specogna steht mit der Kamera mittendrin und dokumentiert den Alltag, die Verzweiflung, aber auch die kleinen Hoffnungsschimmer aus nächster Nähe, aber stets ohne Voyeurismus. Im Zentrum des Films steht einerseits die junge Muslimin Amzine und ihre Tochter Fane, die Amzine nach einer erlittenen Vergewaltigung geboren hat.
Andererseits begleitet Heidi Specogna die Christin Arlette, deren zerschossenes Knie trotz einer Operation in Europa nicht richtig verheilt – ein Sinnbild für die vielen unsichtbaren Verletzungen, die immer wieder aufbrechen.
Specognas anteilnehmende Langzeitbeobachtung ermöglicht es dem Zuschauer, zu erfassen, welch monumentale Lebensleistung diese Frauen erbringen, um sich aus der Opferrolle zu befreien und für ihre Familien eine Zukunft aufzubauen. Für die mittlerweile 12-jährige Fane beginnt die Zukunft mit einem wackligen Tisch in einem Flüchtlingslager im Tschad, der zu einem kleinen Verkaufsladen wird.
Theodora Peter, SDA