Rund ein Viertel der National- und Ständeräte wurde vor einem Jahr neu ins Parlament gewählt. Einige von ihnen haben sich bereits einen Namen gemacht – als Strippenzieher im Hintergrund oder mit provokativen Voten am Rednerpult.
In der Politik dürften «auch mal die Fetzen» fliegen, meint Hans-Ulrich Bigler (58). Dem Motto lebte der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) mit dem Kampf gegen das neue SRG-Gebührenmodell bereits vor seiner Wahl in den Nationalrat nach. Dort ist er nicht ruhiger geworden: Der Zürcher engagiert sich gegen mehr Regulierung und für KMU. Bei der Umsetzung der Einwanderungsinitiative und der Besteuerung der Baulandbauern liegt er mit dem SGV-Präsidenten Jean-François Rime (SVP) im Clinch. Der Freisinnige wird weiter auf die Pauke hauen.
Im Ständerat ist es üblich, dass sich Neugewählte zurückhalten. Den Obwaldner CVP-Ständerat Erich Ettlin (54) kümmerte das nicht. Er äusserte sich gleich in der Debatte zur dritten Unternehmenssteuerreform, einer der wichtigsten Vorlagen dieser Legislatur. Als früherer Steuerchef einer Beratungsfirma und Leiter der Obwaldner Steuerverwaltung bringt Ettlin viel Wissen mit. Zudem initiierte er laut dem «Tages-Anzeiger» den Gegenvorschlag zur Bankgeheimnisinitiative, für den sich die Wirtschaftskommission des Nationalrats aussprach. Mit Ettlin ist in Bern zu rechnen.
Die Rentenreform ist eine der wichtigsten Vorlagen dieser Legislatur. Die Zürcher FDP-Nationalrätin Regina Sauter (50) drückte ihr in der Grossen Kammer gleich ihren Stempel auf. Sie brachte in der Debatte einen Antrag durch, der die Ausfälle durch die geplante Senkung des Umwandlungssatzes innerhalb der zweiten Säule kompensieren will. Der Vorschlag stammte allerdings nicht von ihr, sondern vom Arbeitgeberverband. Sauter machte Karriere in der Berner FDP-Zentrale und in der Kommunikation, heute ist sie Direktorin der Zürcher Handelskammer.
«Ich habe während zehn Jahren auf die Wahl in den Nationalrat hingearbeitet», sagte Philippe Nantermod der Zeitung «Le Temps» – und diese Worte sagen einiges aus über den Walliser. Er gilt als ehrgeizig, zielstrebig und selbstbewusst. Der 32-Jährige musste sich denn auch nicht hinten anstellen: Nach wenigen Monaten in Bundesbern wurde er ins FDP-Parteipräsidium gewählt. Die Ambitionen des überzeugten Liberalen und Anwalts sind mit dem Nationalratssitz wohl noch nicht gestillt – zu seinen Vorbildern zählt der Walliser seinen Mentor, alt Bundesrat Pascal Couchepin.
Tim Guldimann (66) ist der erste Auslandschweizer im Nationalrat. Der sogenannten «fünften Schweiz» nahm er sich gleich in seinem ersten Vorstoss an, indem er eine schnelle Einführung der elektronischen Stimmabgabe forderte. Der einstige Spitzendiplomat ist geschliffene Umgangsformen gewohnt. Mit der zuweilen rustikalen Atmosphäre und der trockenen Gesetzgebungsarbeit im Parlament scheint sich der SP-Politiker noch nicht ganz arrangiert zu haben. Lieber beschäftigt er sich mit der Stellung der Schweiz in Europa – das Thema wird noch an Fahrt gewinnen.
Wer in der Debattenkultur des Nationalrats bis anhin die Schärfe vermisste, der dürfte sich über die glanzvolle Wahl des «Weltwoche»-Verlegers Roger Köppel (51) gefreut haben. Und Köppel erfüllte die Erwartungen: Justizministerin Simonetta Sommaruga warf er eine «frivole Leichtfertigkeit» im Umgang mit der Verfassung vor – Sommaruga verliess den Saal, die SP-Fraktion folgte. Obwohl erst seit 2015 Parteimitglied, ist Köppel innerhalb der SVP bereits für die Europapolitik verantwortlich – der Ton für eine kommende Volksabstimmung zum Thema EU ist also gesetzt.
Die Digitalisierung und der Datenschutz sind wichtige Themen. Im Parlament gibt es nur wenige, die davon etwas verstehen. Der gut vernetzte IT-Unternehmer und SVP-Nationalrat Franz Grüter (53) gehört dazu. Er engagiert sich in der Medienpolitik – und stellte sich entgegen der Parteilinie gegen das neue Gesetz über die Überwachung des Telefon- und Fernmeldeverkehrs. Der politische Quereinsteiger und Präsident der Luzerner Kantonalpartei sitzt bereits in der nationalen SVP-Leitung, wo er die Finanz- und Steuerpolitik betreut. Grüter dürfte noch viel von sich reden machen.
Die Grünen haben die Wahlen verloren, im Bundeshaus fehlt es ihnen an profiliertem Personal. Frischen Wind brachte die Genfer Nationalrätin Lisa Mazzone. Die 28-Jährige hielt als jüngstes Mitglied der Bundesversammlung die Eröffnungsrede dieser Legislatur. Nach wenigen Monaten wählten sie die Grünen zur Vizepräsidentin. In der Romandie leitete sie die Kampagne gegen das neue Nachrichtendienstgesetz, in der Rechtskommission engagiert sich Mazzone für das Adoptionsrecht von Homosexuellen. Schwieriger hat sie es als Linke in der Sicherheitspolitischen Kommission.
bär/tga