NEU-NATIONALRAT: Walliser Mann für die Berge

In der Wandelhalle ist Thomas Egger längst ein bekanntes Gesicht. Jetzt rutscht der Cheflobbyist der Berggebiete für die Walliser CSP in den Nationalrat nach – und will sich dort weiterhin vor allem dem alpinen Raum widmen.

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Thomas Egger vor dem Bundeshau: Als Lobbyist kennt er sich in Bern aus. (Bild: Urs Lindt/Freshfocus (13. Juni 2017))

Thomas Egger vor dem Bundeshau: Als Lobbyist kennt er sich in Bern aus. (Bild: Urs Lindt/Freshfocus (13. Juni 2017))

Dominic Wirth

Viel Zeit hat Thomas Egger nicht, er ist oft unterwegs in diesen Tagen, die für ihn so ereignisreich sind. Und so bittet der 50-Jährige zum Treffen nach Schwyz, obwohl er doch in Visp lebt, in Bern arbeitet. Eben sass er in der Innerschweiz noch bei einer Sitzung. Jetzt erzählt er von der morgendlichen Fahrt von Visp nach Schwyz, die über die vielen Kehren des Furkapasses geführt hat. Vom Schnee, der dort oben schon fast weggeschmolzen ist, und dem Rhonegletscher, der jedes Jahr kleiner wird.

Bei Thomas Egger geht es immer um die Berge, das war sein ganzes Leben so. Seit 15 Jahren
ist er nun schon Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete. Jetzt steht er vor einem Karrieresprung. Der Lobbyist wird zum Politiker, denn Egger zieht in den Nationalrat ein, als Ersatz für Roberto Schmidt, der in den Waliser Staatsrat gewählt wurde.

Eine der mächtigsten Lobbyingorganisationen

Der heutige Tag ist ein grosser für den Neu-Nationalrat Egger. Es ist der Tag seiner Vereidigung. Kurz nach acht Uhr morgens wird er im Nationalrat drei Finger in die Höhe recken und den Satz «Ich schwöre es» sagen. Ab dann ist Egger der amtsjüngste Nationalrat, zusammen mit Samuel Bendahan (SP/VD), der morgen ebenfalls nachrückt. Es ist allerdings nicht so, dass man den SAB-Direktor in der Wandelhalle noch gross vorstellen muss. Er war dort schon bis anhin oft anzutreffen, hat geworben und geweibelt für die Berggebiete und ihre Interessen. Ein Lobbyist unter vielen. Aber einer mit mehr Einfluss als die meisten.

Seit 1996 schon ist Egger mittlerweile für die SAB tätig, zuerst als Leiter der Regionalstelle in Visp, seit 2002 als Direktor in Bern. Der Geograf hat der SAB fast sein ganzes Berufsleben gewidmet, und er hat sich hin und wieder überlegt, ob es nicht einmal an der Zeit wäre, etwas Anderes zu machen. «Letzten Endes bin ich aber immer zu Schluss gekommen, dass es keinen schöneren Job als diesen gibt», sagt Egger. Dem 50-Jährigen gefällt es, dass so viele Dossiers auf seinem Tisch liegen, weil so vieles die Berggebiete mitbetrifft – und dass es die Leute dort oben spüren, wenn er in Bundesbern einen Erfolg erringt.

Egger hat einen gewichtigen Anteil daran, dass aus der SAB, die einst eine Vereinigung von Bergbauern war, eine der mächtigsten Lobbyingorganisationen der Schweiz wurde. Nicht ganz in der gleichen Liga mit dem Bauern- und dem Gewerbeverband. Aber fast. Im Bundeshaus ist der 50-Jährige hervorragend vernetzt. Er gilt als blitzschneller Denker und einer, der weiss, wie man Allianzen schmiedet. Kurt Fluri, Solothurner FDP-Nationalrat und Präsident des Städteverbands, spricht von einem «starken Vertreter der Interessen der Berggebiete».

Thomas Egger hat ein freundliches Gesicht und eine sanfte, manchmal fast leise Stimme. Das könnte eine Schwäche sein, wenn da nicht auch dieses Selbstbewusstsein wäre, das Egger jederzeit ausstrahlt. Etwa, wenn er die Erfolge der SAB in der laufenden Session auflistet und dabei mit den Fingern der rechten Hand mitzählt. Ein Finger für die Motion der Verkehrskommission des Nationalrats, die die Abbaupläne der Post stoppen soll. Ein Finger für die Verlängerung des Mehrwertsteuer-Sondersatzes für die Hotellerie. Einer für die Motion von Martin Candinas, SAB-Vizepräsident und CVP-Nationalrat, für eine schnellere Internet-Grundversorgung.

Egger blickt dann weiter zurück, verlängert die Liste, das Regionalpolitik-Programm kommt dazu, das zusätzliche Geld aus dem Infrastrukturfonds. Und schliesst irgendwann so: «Wir haben extrem viel bewirkt.» Das sind Sätze, wie sie ein Interessenvertreter sonst selten sagt; es liegt eigentlich in ihrem Wesen, zurückhaltend zu sein, zumindest in der Öffentlichkeit. Denn in Bern wird einem schnell einmal das Etikett des Subventionsjägers angeheftet. Egger aber ist keiner, der die Staatshilfen verschweigt. Denn er findet, dass sie nicht erjagt sind, sondern verdient. Es gibt vor allem zwei Dinge, die die Berggebiete in seinen Augen brauchen: Arbeitsplätze und eine gute Grundversorgung. «Und dafür», sagt Egger, «ist eine gewisse staatliche Unterstützung nötig, sie liegt im Interesse des ganzen Landes.»

Und dann gibt es da noch einen anderen Punkt, der dem Walliser am Herzen liegt: Die Sache mit den Auflagen. «Es wäre uns sehr stark gedient, wenn wir weniger hätten», sagt Egger, und er meint damit vor allem auch die Zweitwohnungs-Initiative. Sie steht zum einen für seine grösste Niederlage, weil es auch Egger nicht gelang, ein Ja zu verhindern. Und zum anderen für seine grösste Herausforderung. «Im Unterland denken die Leute, die Berge müssten eine heile Welt sein, aber sie sind auch ein Wirtschaftsraum. Dieses Bild zu ändern, ist meine grösste Mission. Und meine schwierigste», sagt er.

Mit ausgeklügeltem Plan in den Nationalrat

Ab heute wird der 50-Jährige diese Mission als Nationalrat verfolgen, als erster SAB-Direktor überhaupt. Ein Zufall ist das nicht. Egger liebäugelte schon länger mit den nächsten «logischen Schritt» in seiner Karriere, dem von der Wandelhalle in den Nationalratssaal. Dorthin, wo die politischen Entscheidungen fallen. Eggers Chance bot sich vor den Parlamentswahlen 2015. Das Wallis hatte einen weiteren Nationalratssitz erhalten, und Egger hoffte, dass er diesen dereinst erben kann. Dazu musste er nur der richtigen Partei beitreten, jener von Roberto Schmidt, der beste Chancen auf den neuen Sitz im Nationalrat hatte – und auch als aussichtsreicher Kandidat für die nächste Vakanz im Staatsrat galt. So landete Egger in der Oberwalliser CVP-Schwesterpartei, der CSP. Und schaffte es bei den Parlamentswahlen tatsächlich auf den zweiten Platz hinter Schmidt. Jetzt, rund eineinhalb Jahre später, ist dieser in die Walliser Regierung eingezogen. Eggers Plan ist aufgegangen: Er kann ins Bundeshaus nachrutschen.

Die Berggebiets-Lobby wird damit noch stärker. Schon heute sitzen vier ihrer Vorstandsmitglieder im Parlament, und die zusätzliche Stimme kommt gerade recht. Denn bald steht der nächste grosse Kampf an: Jener um die Zukunft der Wasserzinsen. Mit Egger stösst nun jemand dazu, der allabendlich nach Hause ins Wallis pendelt, weil er nirgendwo anders wohnen will. Der in seiner Freizeit am liebsten mit dem Mountainbike durch die Berge kurvt. Und der sagt, er sei mal sozial und mal liberal, aber kein «Hardcore-CVPler», und sowieso: Sein Parteiprogramm blieben die Berggebiete. Die anderen im Parlament können sich also auf etwas gefasst machen. Aber die meisten kennen Thomas Egger ja schon.