Das Parlament diskutiert über die Einführung von Stimmrechtsalter 16. Studien zeigen, dass sich so die Beteiligung an Abstimmungen verbessern liesse. Doch ist unklar, wie nachhaltig dieser Effekt ist.
Lukas Leuzinger
Ob Energiegesetz oder Reform der Altersvorsorge – viele Entscheide, die heute getroffen werden, betreffen die jungen Generationen überproportional. Doch bei den Abstimmungen sind sie untervertreten. Das haben sie sich teils selbst zuzuschreiben: Die Beteiligung der 18- bis 30-Jährigen ist tiefer als jene älterer Stimmbürger. Würden sie fleissiger an die Urne gehen, wäre das Gewicht der Jungen grösser.
Ein anderer Weg, um dieses zu vergrössern, wäre die Senkung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre. Glarus machte diesen Schritt 2007 als bislang einziger Kanton: Seither können 16- und 17-Jährige an der Landsgemeinde teilnehmen.
Lisa Mazzone findet, dass der Bund nachziehen soll. Die 29-jährige Nationalrätin der Grünen hat eine parlamentarische Initiative zur Einführung von Stimmrechtsalter 16 auf Bundesebene lanciert, die heute in der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats traktandiert ist. Aus Sicht von Mazzone wäre der Schritt eine Anpassung an die Realität. «16-Jährige tragen bereits viel Verantwortung: Sie dürfen Sex haben, gewisse alkoholische Getränke konsumieren und treffen wichtige persönliche Entscheidungen, insbesondere im Hinblick auf ihr Berufsleben», sagt sie. «Daher kann man ihnen auch zutrauen, politisch mitzubestimmen.» Ausserdem verspricht sich die Genferin eine stärkere Beteiligung an der Politik. Sie verweist auf Österreich: Vor zehn Jahren senkte das Land das Wahlrechtsalter auf 16 Jahre. Untersuchungen danach zeigten, dass die Wahlbeteiligung der 16- und 17-Jährigen höher war als jene älterer Erstwähler.
Dieses Resultat ist von Bedeutung: Die erste Wahl, an der man teilnehmen kann, spielt eine wichtige Rolle für die politische Sozialisation: Wer das erste Mal, wenn er darf, nicht wählen geht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit 20 oder 40 Jahre später seltener an die Urne gehen. Isabelle Stadelmann, Politikwissenschafterin an der Uni Bern, erklärt sich dies mit den unterschiedlichen Lebenssituationen. «Mit 16 oder 17 Jahren geht man in der Regel noch zur Schule, wohnt bei den Eltern und erhält das Stimmrecht damit sozusagen in einem geschützten Rahmen», sagt sie. «Im Gegensatz dazu fällt das Alter von 18 bis 21 mit anderen wichtigen Veränderungen wie dem Auszug von zu Hause, dem Abschluss der Ausbildung und der Jobsuche zusammen.» Offen ist laut Stadelmann allerdings, ob der Effekt auch langfristig bestehen bleiben wird.
Im Kanton Glarus gibt es keine Zahlen zur Beteiligung von 16- und 17-Jährigen. Laut Ratschreiber Hansjörg Dürst hat sich der Stimmkörper an der Landsgemeinde seit Einführung von Stimmrechtsalter 16 aber sichtbar verjüngt. «Es gibt auch immer wieder Junge, die an der Versammlung das Wort ergreifen.» Das Wichtigste sei aber, dass jene Jugendlichen, die das möchten, über Fragen, die sie betreffen, mitentscheiden könnten.
Die Chancen von Mazzones Vorstoss im Parlament dürften gering sein. In der Vergangenheit stellten sich die bürgerlichen Parteien gegen Stimmrechtsalter 16. Selbst ihre Jugendsektionen sind skeptisch. «Mit Erreichen der Volljährigkeit erhält jeder Bürger neue Rechte, aber auch Pflichten», sagt Tino Schneider, Präsident der Jungen CVP. Die Volljährigkeit sei die richtige Grenze. Ähnlich äussert sich Andri Silberschmidt von den Jungfreisinnigen. Dass die Jungen bei der Rentenreform 2020 von den älteren Stimmbürgern überstimmt zu werden drohen, ist für den vehementen Gegner der Vorlage kein Argument für ein tieferes Stimmrechtsalter. Es brauche eine «überdurchschnittliche Mobilisierung der 18- bis 45-Jährigen», um die Rentenreform zu versenken.