NZZ X.DAYS: Stefanie Peters: «Der ideale Angestellte muss unternehmerisch denken»

Die fortschreitende Digitalisierung schürt Ängste, sie schafft aber auch neue Möglichkeiten. Diese erläutert die Unternehmensberaterin Stefanie Peters im Interview.

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Die Unternehmensberaterin Stefanie Peters (47). (Bild: PD)

Die Unternehmensberaterin Stefanie Peters (47). (Bild: PD)

Interview: Martina E. Medic
martina.medic@luzernerzeitung.ch

Frau Peters. Ist es eine Sünde, offline zu gehen?

Natürlich nicht (lacht)! Wer offline geht, darf sich jedoch nicht wundern, wenn er nicht gefunden wird.

Was verstehen Sie unter dem digitalen Wandel?

Der digitale Wandel ist sowohl eine persönliche Haltung, als auch die Nutzung der digitalen Technologien in der Wirtschaft und Politik, um die eigene Rolle umfassender zu definieren. Es gibt drei Arten, wie Unternehmen mit der fortschreitenden Digitalisierung umgehen: Einige Unternehmen nutzen die Chancen neuer Technologien, um mit mehr Personen zu kommunizieren. Dann gibt es die Zaghaften und zuletzt jene, die noch nicht verstanden haben, dass auch sie mitmachen sollten.

Welche Unternehmen sperren sich noch gegen das Digitale?

Vorwiegend jene aus traditionell geprägten Branchen, in denen es um physische, «schwere» Dinge geht, und in denen hochkomplexe, massgeschneiderte Produktionsprozesse etabliert sind. Dazu zählen etwa Maschinenbau, Logistik oder Immobilien.


Industrieländer wie die Schweiz leben von einem starken Dienstleistungssektor. In diesem werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren viele Stellen wegfallen.

Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass es eine enorme Verschiebung in den Berufen gibt, nicht etwa nur im Detailhandel. Japan zum Beispiel testet bereits Roboter, die in der Alterspflege eingesetzt werden sollen. Zugleich werden neue Berufe entstehen, wo die menschliche Intelligenz und Empathie zählen. Lifestyle-Themen wie Einrichtung, Stilberatung oder Urlaub werden zunehmend wichtiger.

Sie beraten vorwiegend Kaderleute. Gibt es Fehler, die Manager oft begehen?

Es geht nicht mehr, zwei Jahre an einem Masterplan zu arbeiten. Manager müssen schnell und agil handeln. Sie müssen bereit zu sein, ohne einen perfekten Plan loszulegen, um sich zügig an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen. Jeder behauptet, der Kunde sei König. Die Services, Leistungen oder Produkte sind jedoch oft nicht am Kunden orientiert. Viele Unternehmen kümmern sich immer noch zu wenig darum, was der Kunde wirklich will. Und wo dessen Schmerzgrenze liegt.

Das Credo lautet also, Datengetrieben zu arbeiten.

Korrekt. Bevor ich eine Idee auf den Markt bringe, sollte ich mit Internetnutzern oder sogar Leuten auf der Strasse interagieren. Wieso nicht mehr qualitative Interviews mit Nutzern führen?

Weiss der Kunde überhaupt, was er will?

Davon bin ich überzeugt. Meine Kinder haben bereits im Teenageralter klare Vorstellungen. Gerade die «Generation Y» will einen Sinn spüren im Produkt, will sich mit der Marke identifizieren, die Geschichte hören. Das Selbstbewusstsein und der Wunsch nach Individualität sind ausgeprägter, als dann, als wir selbst Kinder waren.

Beide, Unternehmen und Angestellte, müssen sich laufend neu erfinden. Manche meinen, es ginge nur noch darum, zu strampeln.

Es braucht die richtige Balance zwischen Innovation und Tradition. Es ist toll zu sagen: «Unser Unternehmen besteht seit 150 Jahren». Wer Marktführer bleiben will, muss jedoch innovativ sein. Es braucht eine Lern- und eine «Fehlerkultur», wo Fehler nicht gleich das Karriereaus bedeuten. Wir müssen den Mut aufbringen, uns vom Perfektionismus zur Offenheit hin zu bewegen. Risikoaversion ist das, was uns Kraft raubt.

Wer ist der ideale Arbeitnehmer der Zukunft?

Er ist gut ausgebildet, agil und technikaffin. Er versteht die digitalen Arbeitsmodelle und kann datengetrieben arbeiten. Wenn er Produkte entwirft, sind diese um den Kunden zentriert. Neue Ideen bringt er in einem Konzept schnell auf den Punkt, damit er sie übermorgen testen kann.

Künftig sind eher Generalisten gefragt, als Spezialisten?

… mit solidem technischen Verständnis. Es würde nicht stören, wenn jeder programmieren und damit selbst sehen könnte, wie die eigenen Ideen in Software gegossen werden. Der ideale Arbeitnehmer muss Selbstverantwortung zeigen und unternehmerisch denken. Gefragt ist nicht mehr derjenige, der 40 Stunden pro Woche leistet und pünktlich um 16 Uhr nach Hause geht.

Dies schliesst jene Personen aus, die mit der Schnelligkeit nicht mehr Schritt halten können – oder wollen.

Das Digitale ist eine faszinierende Welt, vor der man sich nicht ganz versperren sollte. Betroffene können sich auch nur im Privaten an die Technik heranwagen, etwa beim Skypen mit der Enkelin. Wer Ängste überwindet, wird stärker und selbstbewusster.

Und was tun Sie, wenn Ihnen die Arbeit über den Kopf wächst? Neben ihren Mandaten wollen Ihr Mann und Ihre vier Kinder auch Zeit mit Ihnen verbringen.

An den Wochenenden entspanne ich mich und verbringe Zeit mit meiner Familie, dank der ich gut abschalten kann. Dazu haben wir eine Haushaltshilfe. Als Unternehmerin gibt es mir viel Energie, das zu tun, was mir Spass macht. Ich habe aber auch gelernt, loszulassen: Wenn 350 unbeantwortete E-Mails im Postfach liegen, gehe ich trotzdem zu Bett. Wenn etwas Dringendes ansteht, kann man mich am nächsten Tag wieder erreichen. Es entspannt, den eigenen Perfektionismus und den Drang nach Dauererreichbarkeit abzulegen.