KARTELLRECHT: Dank Denners Kampf für Parallelimporte: Weko drückt auf die Tube

Jahrelang wehrte sich Denner gegen die Behinderung von Parallelimporten von Elmex-Zahnpasta. Der Fall zeigt Wirkung: Die Wettbewerbskommission könnte nun schneller zu Entscheiden kommen. Das passt nicht allen.

Maurizio Minetti
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Der Parallelimport von Elmex-Zahnpasta durch Denner hat das Schweizer Kartellrecht verändert. (Bild: Corinne Glanzmann)

Der Parallelimport von Elmex-Zahnpasta durch Denner hat das Schweizer Kartellrecht verändert. (Bild: Corinne Glanzmann)

Maurizio Minetti

Für das Schweizer Wettbewerbsrecht war es ein wegweisendes Urteil. Vor einem Jahr fällte das Bundesgericht den Entscheid im sogenannten Gaba-Fall: Der Basler Hersteller der Elmex-Zahnpasta hatte es seiner Lizenznehmerin in Österreich verboten, Schweizer Händler wie Denner mit in Österreich hergestellten (und damit günstigeren) Elmex-Produkten zu beliefern. Dagegen wehrte sich der Discounter Denner 2005 mit einer Anzeige bei der Wettbewerbskommission (Weko). Die Weko büsste Gaba daraufhin mit fast 5 Millionen Franken. Als letzte Instanz hat das Bundesgericht das Urteil bestätigt.

Nun zeigt sich, was dieses Urteil für die Praxis bedeutet. Die Weko hat nämlich nach der jüngst veröffentlichten Urteilsbegründung diesen Sommer ihre Praxis verschärft. Vereinfacht gesagt und am Beispiel von Elmex erklärt, ändert sich dies: Gemäss der früheren Rechtsprechung musste die Weko nachweisen, dass der Hersteller in Österreich die Vorgaben von Gaba tatsächlich umsetzt und Denner nicht beliefert. Es reichte also nicht, zum Beispiel einen Brief von Gaba vorzuweisen, in dem Gaba seinem Lieferanten die Belieferung Schweizer Händler untersagt.

Auch kleine Firmen riskieren Bussen

Nun ändert sich dies: Es spielt keine Rolle mehr, ob das Verbot vom Lieferanten ganz oder teilweise umgesetzt wird oder nicht. Allein die Tatsache, dass ein Hersteller versucht, seine Lieferkette auf ein einzelnes Land zu beschränken, kann sanktioniert werden. Oder im Fall von Preisabsprachen: Es reicht, wenn der Hersteller seinen Händlern vorgibt, zu welchem Preis sie die Ware in einem bestimmten Land verkaufen sollen. Ob sie dem Preisdiktat folgen, spielt grundsätzlich keine entscheidende Rolle mehr. Nicht relevant ist gemäss dem Gaba-Urteil auch, wie gross der Marktanteil eines Unternehmens ist. Das bedeutet, dass auch Firmen Bussen riskieren, die in einem sehr kleinen Segment mit starkem Wettbewerb aktiv sind.

Diese Praxisänderung bei der Urteilsfindung könnte dazu führen, dass die Weko schneller zu Entscheiden kommt. Zumindest die Weko selbst sieht das so: Weko-Vizedirektor Patrik Ducrey sagt: «Davon gehen wir tatsächlich aus. Vorbehalten bleibt selbstverständlich ein rechtsstaatlich korrektes Verfahren mit allen Verteidigungsmöglichkeiten, welches dieses bietet.» Man werde wohl aber erst nach einer bestimmten Zeitperiode – zum Beispiel zwei Jahre nach dem Gaba-Urteil – sagen können, «wie sich dies auf die Verfahrensdauer insgesamt ausgewirkt hat», sagt Ducrey.

Der ehemalige Weko-Vize und aktuelle Professor Patrick Krauskopf bestätigt dies: «Die Diskussion zwischen der Weko und den Unternehmen dürfte sich neu auf zwei Punkte konzentrieren: Gab es überhaupt eine Abrede und wenn ja, lässt sich diese Abrede durch ökonomische Effizienzvorteile rechtfertigen.»

Während Konsumentenschützer den Fall Gaba feiern, weil er tendenziell zu tieferen Preisen führen könnte, gibt es von anderer Seite harte Kritik. Henrique Schneider, stellvertretender Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV), sagt: «Die Weko stilisiert den Fall Gaba herauf.» Er erinnert da­ran, dass zwei sehr ähnlich gelagerte Fälle derzeit noch beim Bundesgericht hängig sind. «In diesen beiden Fällen hat die Vorinstanz – im Gegensatz zum Fall Gaba – genau umgekehrt argumentiert.» Es ist seiner Meinung nach also noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Vorstoss im Ständerat

Der SGV-Ökonom kritisiert zudem, dass der Aufwand künftig einfach auf Firmen abgewälzt werde, die im Visier der Weko stehen. «Die Unternehmen werden mehr Zeit brauchen, um sich zu entlasten», sagt Schneider. In einem Wettbewerbsfall muss eine Firma zum Beispiel beweisen, dass das beanstandete Verhalten zu tieferen Preisen führt oder dass zum Beispiel Konsumenten eine grössere Auswahl haben.

Anders gesagt: Während die Weko Zeit spart, erhöht sich der Aufwand für Unternehmen, die ins Visier der Weko geraten. Gemäss Schneider steigt ausserdem die Wahrscheinlichkeit, dass solche Fälle weitergezogen werden. Unter dem Strich sei die Zeitverkürzung deshalb wohl nur marginal. Der Gewerbeverband möchte nun gegen den neuen Status quo vorgehen. Schneider ist selbst Weko-Mitglied und deshalb im Austausch mit den zuständigen Stellen. Gleichzeitig geht der SGV aber auch den parlamentarischen Weg, um die Weko in die Schranken zu weisen: Der Walliser CVP-Ständerat sowie SGV-Vize Jean-René Fournier fordert in einer Motion, dass Entscheide der Weko erst veröffentlicht werden dürfen, wenn sie rechtskräftig sind. Das soll verhindern, dass der Ruf von Firmen zu Unrecht geschädigt werde. Die Sanktionen bei unzulässigen Abreden sollen der Grösse des Unternehmens und der Tragbarkeit der Auswirkungen angemessen Rechnung tragen. Weiter sollen die Gerichtsverfahren durch Fristen im Gesetz vereinfacht und beschleunigt werden. Unternehmen, die freigesprochen werden, sollen eine Entschädigung für ihre Kosten erhalten.

Der Bundesrat lehnt den Vorstoss zwar ab. Doch die Wirtschaftskommission des Ständerates hat Ende Juni ihrem Rat beantragt, die Motion anzunehmen.