HILFE: «Berührung kommt im Alltag oft zu kurz»

Jeden Freitagabend bietet Yvonne Lehmann in der Lukaskirche Handauflegen an. Besucher können dort ihre Sorgen loswerden. Sie warnt aber vor zu grossen Erwartungen.

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Diakonin Yvonne Lehmann betreut in der Lukaskirche eine Besucherin. (Bild: Corinne Glanzmann (Luzern, 23. Dezember 2016))

Diakonin Yvonne Lehmann betreut in der Lukaskirche eine Besucherin. (Bild: Corinne Glanzmann (Luzern, 23. Dezember 2016))

«Handauflegen und Gespräch (...) – Sie sind ohne Voranmeldung herzlich willkommen.» Diese Ausschreibung ist seit bald vier Jahren wöchentlich in den reformierten und katholischen Kirchenblättern, aber auch in öffentlichen Veranstaltungskalendern zu finden. Ein Team von Freiwilligen rund um die Luzerner Diakonin Yvonne Lehmann steht hinter dem Angebot.

Wie muss man sich das konkret vorstellen? Das Angebot richte sich an jedermann und sei in keiner Weise konfessionell gebunden, so Yvonne Lehmann. «Es kommen Leute aller Altersgruppen – Jüngere, Ältere und Betagte», sagt die Diakonin. Leute aus Luzern und Umgebung, aber auch solche von weiter weg fänden sich jeweils so am Freitagabend beim Eingang der Lukaskirche ein. «Manchmal sind es vier, fünf Personen. Auch mal vielleicht zehn.»

Im Zentrum steht das Gespräch

Diese bekommen eine Nummer zugeteilt und werden nachher entsprechend in die «Kabäuschen» gerufen – mit «Kabäuschen» umschreibt die Diakonin schmunzelnd die improvisierten, abgetrennten Gesprächseinrichtungen im Chor der Kirche. Das Gespräch ist denn auch das Zentrale an der Begegnung. Die Sorgen und Anliegen vortragen können, offene Ohren dafür vorfinden und wissen, dass dies anonym, unverbindlich und auch unentgeltlich ist. Ängste, Schuldgefühle aussprechen und diese so vielleicht abbauen können, sich auch aus fehlgeleiteter religiöser Sozialisierung befreien können, das könne «heilend» wirken und guttun, sagt Yvonne Lehmann. «Leute, die sich auf diesen Prozess einlassen, gehen häufig anders mit Problemen um.»

Das konkrete Handauflegen kann die Begegnung abrunden. Muss aber nicht. «Wir fragen die Besucher immer, ob sie dies wünschen», sagt Lehmann. Auf Wunsch wird die Hand sachte auf den Kopf oder die Schultern gelegt.» Das passiere schweigend und in dem Ritual liege eine Kraft, die im ureigensten Sinn auch «berühren» könne. Gerade diese «Berührung» komme im Alltag oft zu kurz, so Lehmann.

Selbstverständlich sind sich Yvonne Lehmann und ihr Team der Thematik rund um Übergriffe im Zusammenhang mit «Berühren» bewusst. Auch aus diesem Grund gibt es keine ganz geschlossenen Türen. «Bisher haben wir nie schwierige Situationen rund um das Handauflegen gehabt – in den regelmässigen Fortbildungen wird diese Thematik auch immer wieder angesprochen», erklärt Lehmann. Notfalls würde eine Sitzung abgebrochen, wenn sich trotz allem eine unangenehme Situation ergeben sollte.

Einige Leute haben falsche Erwartungen

Vor dem Wort «Heiler» – im Zusammenhang mit Handauflegen etwa – bekundet Yvonne Lehmann Respekt und geht vorsichtig auf Distanz. Es könne schon sein, dass Leute auch mal falsche «Heilserwartungen» hätten. Die müssten dann ins richtige Licht gesetzt werden. «Wir verstehen uns als Werkzeuge, durch die Heilung geschehen kann. Wann und wie wissen wir nicht.» Zuhören, allenfalls Rat geben, das ­seien ihre konkreten Möglichkeiten der Unterstützung. Ein solcher Ratschlag könne auch mal darin bestehen, Besuchern eine Adresse, eine Kontaktmöglichkeit anzubieten, wo sie allenfalls weitergehende Unterstützung bekommen können. In Einzel­fällen weisen die Begleiter auch auf Therapiemöglichkeit hin. Eine Liste von weiterführenden Adressen und Kontaktmöglichkeiten liegt jeweils auf.

Die Zahl der Besucher beim Handauflegen schwankt laut Lehmann – unabhängig von der Jahreszeit. So könne es sein, dass die drei jeweils anwesenden Begleiter plötzlich recht gefordert sind. «Wenn die gleiche Person drei oder vier Gespräche geführt hat, dann ist sie ziemlich geschafft, das ist dann schon intensiv.» Diese Begleiter – aktuell besteht das Team aus rund 17 Personen – werden im Übrigen sorgfältig ausgewählt und in ihre Aufgabe eingeführt. Es müssen keine professionellen Therapeuten sein, sagt Lehmann. «Sie müssen aber Erfahrung in Gesprächsführung haben und gestandene, stabile Persönlichkeiten sein.»

Hannes Bucher

stadt@luzernerzeitung.ch

Hinweis

www.handauflegen-luzern.ch