INTEGRATION: «Wir wollen die Talente der Leute fördern»

Im «Hello Welcome» treffen sich seit einem Jahr Flüchtlinge, Asylbewerber und die Luzerner Bevölkerung. Für die Betreiber ist klar: Der Treffpunkt ist ein Vollerfolg. Das hat auch die Stadt erkannt.

Kilian Küttel
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Die Leiterin von «Hello Welcome», Rita Ueberschlag (Dritte von rechts), bei der Arbeit mit Flüchtlingen. (Bild: Pius Amrein (Luzern, 9. Januar 2017))

Die Leiterin von «Hello Welcome», Rita Ueberschlag (Dritte von rechts), bei der Arbeit mit Flüchtlingen. (Bild: Pius Amrein (Luzern, 9. Januar 2017))

Am Kauffmannweg 9 in der Luzerner Neustadt treffen sich Menschen von überall: Sie kommen aus Eritrea, Afghanistan, Syrien, Tibet – und auch Luzern. «Hello Welcome» heisst der Treffpunkt, in dem sie sich austauschen und sich kennen lernen. Dieser Tage feiert der Treffpunkt sein einjähriges Bestehen. Seit der Vereinsgründung helfen dort Einheimische Flüchtlingen und Asylbewerbern mit den Hausaufgaben aus dem Deutschunterricht. Sie lesen zusammen Zeitung, haben Spass und werden Freunde.

Das «Hello Welcome» hat am vergangenen Mittwochnachmittag, an dem unsere Zeitung den Treffpunkt besucht hat, gerade erst geöffnet. Doch schon herrscht ein Kommen und Gehen. «Wie eigentlich immer», sagt Rita Ueberschlag (64), die Leiterin des Treffpunkts.

Leute werden zu sehr an ihre Defizite erinnert

An den acht Tischen sitzen etwa 30 Personen. «An einem normalen Nachmittag kommen etwa 40 Leute, an Spitzentagen 70», sagt Ueberschlag, während ihr Blick umherschweift. Es riecht nach Tee und Kaffee, an einer Wand stapeln sich Bücher in 28 Sprachen. Gesprochen wird hier aber meist nur eine: Deutsch. «Unser Ziel ist es, den Leuten unsere Sprache beizubringen, indem sie voneinander lernen – natürlich in Ergänzung zu den Deutschkursen, die sie besuchen», erklärt Ueberschlag. Das ist aber nicht das einzige Ziel des Treffpunkts: «Wir wollen die Talente der Leute fördern und sie gezielt dort abholen.» Wer hierherkomme, werde auf seine Defizite getrimmt. «Dabei haben unsere Besucher zum Teil sehr gute Ausbildungen absolviert. Sie alle können etwas.» So wie Salam Hasami. In seiner Heimat Afghanistan war er Bäcker. Dann ging er zur Armee, in den Krieg, wo er zehn Jahre gekämpft hat. «Wir haben geschaut, dass er für uns etwas backen kann, wenn wir einen Anlass durchführen», erklärt Ueberschlag. Das habe Salam gefallen. Und es gefällt ihm im «Hello Welcome»: «Ich habe viel gelernt», sagt er. Neben ihm sitzt sein Landsmann Hamid Mohamadi. Er lebt seit 14 Jahren in der Schweiz, hat lange in der Industrie und als Autospengler gearbeitet. Doch dann hatte er einen Bandscheibenvorfall und kann seither nicht mehr arbeiten. «Meine Familie wurde eingebürgert. Aber ich nicht, weil ich nicht arbeiten kann», sagt er und wirkt traurig dabei. Ueberschlag hört zu und meint: «Komm nachher zu mir. Dann schauen wir uns das genau an.» Die Leiterin unterstützt die Besucher, wo sie kann. Doch es gehe nicht nur darum: «Wir wollen kein festes Programm anbieten, bei dem die Leute mitmachen können. Jeder soll sich selber einbringen.»

Mit dem Besucheransturm hat Ueberschlag nicht gerechnet. «Nach dem ersten Monat hatten wir schon so viele Leute hier, wie wir eigentlich für das ganze Jahr erwartet haben.» Für das Projekt, das drei Luzernerinnen initiiert haben, gibt es allgemein viel Zuspruch – und es ist auch für die Stadtluzerner Behörden eine Erfolgsgeschichte. Sozialdirektor Martin Merki sagt: «Es ist erfreulich, dass sich ‹Hello Welcome› als Treffpunkt bereits so gut etabliert hat. Das Angebot zeichnet sich durch Nähe, Identität und Echtheit aus.»

Die Organisation finanziert sich vor allem durch Spendengelder. Das Gebäude hat die Katholische Kirche der Stadt Luzern zur Verfügung gestellt – kostenlos. «Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung», so Ueberschlag. Bald dürfte «Hello Welcome» auch einen Beitrag der Stadt erhalten – 15 000 Franken im Jahr. Der Stadtrat wird laut Merki in den nächsten Wochen darüber befinden. Die Zukunft scheint also rosig. Und was wünscht sich die Leiterin im neuen Jahr? «Dass noch mehr Leute aus anderen Ländern und Einheimische zu uns kommen. Wir sind offen für alle, nicht nur für Leute mit Migrationshintergrund.»

WG für Flüchtlinge

In sechs Schweizer Kantonen gibt es das Angebot bereits, nun hält es auch in Luzern Einzug: «Wegeleben», ein Projekt, bei dem junge Flüchtlinge an Wohngemeinschaften vermittelt werden. Hinter dem Projekt stehen drei Luzerner, die ein Studium im Sozialbereich absolviert haben. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, Flüchtlingen die WG-Kultur zugänglich zu machen und ihnen die Wohnungssuche in Luzern zu erleichtern.

«Obwohl das Projekt in Luzern noch in den Anfängen steckt, stösst unser Engagement auf grosses Interesse», teilte die Gruppe gestern mit. Demnach haben sich seit der gestrigen Freischaltung der Homepage bereits fünf WGs gemeldet. Zum Vergleich: In Bern sind schon über 34 WGs mit geflüchteten Menschen zu Stande gekommen. (red)
Hinweis

Interessenten können sich bei
luzern@wegeleben.ch melden.

Kilian Küttel

kilian.kuettel@luzernerzeitung.ch