Aus Sorge um die psychische Gesundheit seines Sohnes unterrichtete ein Elternpaar sein Kind zu Hause. Die Gemeinde Isenthal weigerte sich, für die Kosten aufzukommen; zu Unrecht, wie das Obergericht nun in einem Urteil festhält.
Die Gemeinde Isenthal muss für den Privatunterricht aufkommen, den ein Kind von seiner Mutter zu Hause erhalten hat. Dies hat das Obergericht Uri entschieden. Das Kind war aus dem Kindergarten genommen worden, weil die Eltern daran gezweifelt hatten, ob die Kindergärtnerin «die psychische Integrität ihres Sohnes gewährleisten kann». Noch vor Ende des ersten Kindergartenjahrs wurde im April 2014 ein Dispensationsgesuch gestellt. Doch dann entspannte sich vorerst die Situation.
Allerdings nur für kurze Zeit. Ende Mai 2015 zogen die Eltern die Reissleine. Sie teilten der Schule mit, dass es ihrem Sohn derzeit in der Schule so schlecht gehe, dass ein weiterer Schulbesuch momentan nicht mehr möglich sei. Die Mutter, eine ausgebildete Primarlehrerin, begann mit dem sogenannten Homeschooling, dem Unterricht zu Hause. Die behandelnde Kinderärztin machte «schulische Unterforderung bei intelligentem Kind» aus und schrieb gar von «suizidalen Gedanken». Sie stellte ein Arztzeugnis für «ein Jahr Homeschooling» aus.
Dies genügte dem Schulrat Isenthal nicht. Im Juni 2015 fand eine Unterredung statt, an der sich neben Eltern und Schulratsvertretung auch die Bildungs- und Kulturdirektion (BKD), das Amt für Volksschulen und der Schulpsychologische Dienst beteiligten. Dabei wurde vereinbart, dass – neben dem Zeugnis der Kinderärztin – auch ein Gutachten des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes (KJPD) eingeholt werden soll. Dieser hatte den Buben bereits Anfang 2015 abgeklärt, jedoch nur auf ADS/ADHS, was nicht bestätigt wurde.
Der KJPD arbeitete mit der BKD einen Lösungsansatz aus: «befristetes Homeschooling mit dem Ziel, dass ab Frühjahr 2016 eine Regelklasse besucht werden kann». Die Parteien wurden darüber informiert – doch weiterhin lag kein Gutachten des KJPD vor. Wenige Tage später wurde dann lediglich ein zweizeiliges Attest ausgestellt, das eine Empfehlung für Homeschooling bis Ende Januar 2016 enthielt.
Eine offizielle schriftliche Einigung zwischen Eltern und Schule wurde nie getroffen, der Unterricht des Buben fand aber weiterhin zu Hause statt. Im November verlangten die Eltern per E-Mail an die BDK, dass das Homeschooling nun bewilligt und finanziert wird. Die Direktion jedoch retournierte, man spiele in der Sache nur eine vermittelnde Rolle, zuständig sei der Schulrat. Im darauffolgenden Januar 2016 zog die Familie schliesslich vom Isenthal weg. Rückwirkend wurde 2016 beim Schulrat ein Gesuch um Entschädigung für den Unterricht gestellt, worauf nicht eingegangen wurde. Der Erziehungsrat lehnte einen Rekurs ebenfalls ab, sodass die Eltern das Obergericht anriefen. Dieses gibt den Eltern nun teilweise Recht. So muss die Gemeinde den Unterricht von 1. Oktober 2015 bis 18. Januar 2016, dem Tag des Wegzugs vom Isenthal, entgelten. Die Höhe kann der Schulrat selber bestimmen. Die Pauschale, die der Kanton pro Schüler und Jahr an die Gemeinden entrichtet, beträgt 3600 Franken.
Das Obergericht teilt die Meinung der Behörden, dass das zweizeilige Attest des KJPD nicht als Gutachten angesehen werden kann. Nachdem das Attest vorgelegen hatte, hätten die Behörden jedoch intervenieren müssen. Das Homeschooling sei offensichtlich geduldet worden. Zudem habe das Attest die medizinische Notwendigkeit eines Homeschoolings aufgezeigt.
Florian Arnold
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