ZUG: Innovations-Studie warnt Schweizer Wirtschaft

Der Innovationsstandort Schweiz müsse aufpassen, dass er nicht abgehängt werde, so das Fazit einer neuen Studie. Die Autoren präsentierten ihre Warnung diese Woche in Zug. Mit dabei waren auch Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik.

Livio Brandenberg
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Referierten unter anderen an der Tagung der Stiftung CH2048 im Theater Casino Zug: Kathrin Amacker (links), Kommunikationschefin der SBB, und FDP-Ständerat Ruedi Noser (ZH). (Bilder: Werner Schelbert (22. März 2018))

Referierten unter anderen an der Tagung der Stiftung CH2048 im Theater Casino Zug: Kathrin Amacker (links), Kommunikationschefin der SBB, und FDP-Ständerat Ruedi Noser (ZH). (Bilder: Werner Schelbert (22. März 2018))

Livio Brandenberg

livio.brandenberg@zugerzeitung.ch

Regelmässig stimmen Politiker und Wirtschaftsvertreter Lobgesänge auf den innovativen Wirtschaftsstandort Schweiz an. Auch sind immer wieder Berichte zu lesen, gestützt auf Erhebungen verschiedener Art, die Schweizer Volkswirtschaft stehe im internationalen Vergleich an der Spitze – oder zumindest auf einer Topposition. So kommt etwa die Länderanalyse des World Economic Forum (WEF) zum Schluss, die Eidgenossenschaft sei seit einigen Jahren die wettbewerbsfähigste und innovativste Wirtschaft der Welt.

Zu einem ganz anderen Schluss kommt nun ein publizierter Innovationsreport der Stiftung CH2048 um den ehemaligen Direktor und Chefökonomen des Wirtschaftsforschungsinstituts BAK Basel Economics, Christoph Koellreuter (siehe Infobox). An einer Tagung am Donnerstag im Theater Casino Zug präsentierten die Autoren ihre Ergebnisse, dazu referierten Vertreter aus Wirtschaft und Politik, etwa der Zürcher FDP-Ständerat und ­IT-Unternehmer Ruedi Noser, SBB-Konzernleitungsmitglied Kathrin Amacker oder Marcel Tanner, Präsident der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften.

Erhöhung der Studiengebühren soll kein Tabuthema sein

Der eingangs erwähnte Innovationsreport kommt zum Schluss, die Schweiz sei beim an der Produktivität gemessenen Innovationserfolg sowie beim Wachstum der Arbeitsplätze in den letzten zehn Jahren in den wichtigsten Branchen zwar immer in der Spitzengruppe der sechs bis sieben besten Konkurrenzstandorte weltweit gewesen, aber nie auf dem ersten Platz. Zu den Wettbewerbern gehören etwa San Francisco, Seattle, Schweden, Dänemark, Bayern, Grossbritannien, Singapur oder Hongkong.

Angeschaut wurden die Branchen Pharma, Finanz, Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) und die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM). Diese stark exportorientierten Branchen seien zentral für den Wohlstand der Schweiz, so die Autoren. Bei jenen Faktoren, die den künftigen Innovationserfolg wesentlich beeinflussen, sei die Schweiz hingegen mehrheitlich spitze, so beispielsweise bei der (tiefen) Besteuerung, der Verschuldung des Staates, der Regulierung, der Infrastruktur, der Berufsbildung oder der Lebensqualität.

Ein völlig anderes Bild zeige sich – leider – bei jenen Faktoren, die für den Erfolg des zunehmend durch die Digitalisierung geprägten weltweiten Innovationswettbewerbs wichtig seien: etwa, dass die Schweizer Hochschulen Spitzenrankings erreichten, was helfe, Toptalente anzulocken. Aber auch, dass mehr Geld für Forschung und Entwicklung an die Universitäten und Hochschulen fliesse oder dass mehr ausserbörsliches Risikokapital (Venture Capital) bereitgestellt werde. «Wir brauchen all das, um nicht abgehängt zu werden», sagt Christoph Koellreuter, Vizepräsident und Programmleiter von CH2048. «Wir brauchen zum Beispiel auch mehr Unternehmen, die rasch wachsen und die Welt erobern.» Diese Botschaft sei beim Publikum angekommen, so Koellreuters Fazit der Tagung.

Ein Anliegen ist Koellreuter auch die Finanzierung der Universitäten. «Der politische Wille, deutlich mehr Geld für die Hochschulen auszugeben, ist in der Schweiz nicht vorhanden. Daher macht es Sinn, über eine verstärkte Beteiligung des privaten Sektors zu diskutieren.» Dies schliesse auch engere Kooperationen von Hochschulen und Unternehmen ein. Und auch eine Erhöhung der Studiengebühren dürfe kein Tabuthema mehr sein. «Doch eine Erhöhung darf nur diskutiert werden, wenn sie mit einer Verbesserung des Stipendienwesens einhergeht. Es darf nicht sein, dass jemand aus sozialen Gründen nicht die Möglichkeit hat, nicht mindestens bis zu einem Bachelor zu kommen.» Ab dem Bachelor, schlug Koellreuter vor, könnten die Stipendien und das Weiterstudieren an die individuellen Leistungen geknüpft werden.

Im Punkt der Hochschulfinanzierung widersprach Ruedi Noser, der «als Unternehmer und nicht als Ständerat» sprechen wollte. «Die öffentliche Finanzierung hat den Vorteil, dass in der Schweiz Forschung betrieben werden kann, ohne allenfalls rasch von privaten Geldgebern unter Druck zu kommen», sagte Noser vor den rund 80 Teilnehmern im Casino.

Lob für den Innovationsstandort Zug

Zum Innovationsstandort Schweiz meinte Noser, er sei überzeugt, dass die Schweizer «Weltmeister bei den Ideen» seien. «Wir haben tolle Ideen, doch die Digitalisierung verlangt, dass man eine gute Idee am ersten Tag auf und in die Welt bringt – und nicht in Zürich. Doch wir arbeiten und denken noch anders.» Man müsse also den Mut haben, gross zu denken; die Schweizer seien aber auch hervorragend, gute Ideen klein zu machen, das habe mit der hierzulande fast schon angeborenen Zurückhaltung zu tun. Zweitens sei es unumgänglich, die besten Talente anzulocken. Dies machten die USA besser: «Sie tun etwas, was auch bei uns einmal selbstverständlich war: Sie lassen Eliten zu.» Und neben Geld brauche es in der Schweiz auch Platz: «Für Firmen, die herkommen und mit den Unis zusammenarbeiten wollen. «Wenn wir diese drei Punkte in den Griff bekommen, dann bin ich überzeugt, dass wir die Digitalisierung meistern werden», so Noser.

Der Innovationsreport zeige, «dass wir die eine oder andere offene Flanke haben», räumte Kathrin Amacker, Leiterin der Kommunikation der SBB, ein. «Im Sinne von ‹Switzerland first› sollten wir vorwärtsmachen und nicht nur verwalten, was wir haben.» Genau dies habe man in Zug begriffen, sagte Koellreuter. So habe man etwa nach der Einführung der Tiefsteuerstrategie vor vielen Jahren stetig Innovation in die Zen­tralschweiz geholt, dies zeige sich jetzt wieder am Beispiel des Crypto Valley. «Zug macht das vorbildlich.»

Hinweis
Den vollständigen Innovationsreport finden Sie unter:www.ch2048.ch.

Kathrin Amacker Konzernleitung SBB. 22. März 2018 Werner Schelbert (Zuger Zeitung) (Bilder: Werner Schelbert (22. März 2018))

Kathrin Amacker Konzernleitung SBB. 22. März 2018 Werner Schelbert (Zuger Zeitung) (Bilder: Werner Schelbert (22. März 2018))