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Ein eigentlich kleines Problem hat schwerwiegende Folgen für eine fliegende Legende. Nach einer eindrucksvollen Karriere als Filmstar, Publikumsliebling und strahlendem Aushängeschild verkommt eine der wenigen flugfähigen Ju-52 unter Afrikas Sonne als «Hangar Queen».
(dpa) Das Ende ist bitter: Unbeachtet verstaubt der dreimotorige Tiefdecker seit einigen Jahren schon in der Ecke eines Hangars am internationalen Flughafen Johannesburg. Das Wellblech an Rumpf und Flügeln war einst das Markenzeichen der Junkers-Flugzeuge aus Dessau - wie sie auch die Lufthansa lange im Einsatz hatte. Heute gehören flugfähige Exemplare der Ju 52 und ihrer Lizenzbauten zu den seltensten Flugzeugen der Welt - es gibt nur noch eine Handvoll. Südafrikas Wellblechflieger erfreute jahrelang Schaulustige und Passagiere bei Nostalgieflügen und Airshows. Doch dann kam das Aus. «Hangar Queen», nennen Piloten solche Flugzeuge, die in ihrem Quartier verrotten. Und nun droht auch dort noch der Rauschschmiss.
Denn der Hangar, in dem die historische Maschine steht, gehört der strauchelnden Traditions-Airline South African Airways (SAA) - und deren Überleben in der Post-Covid-Ära gilt als fraglich. «Die Ju 52 wird wahrscheinlich noch ein letztes Mal fliegen - von Johannesburgs OR-Tambo-Flughafen zum Rand-Airport; da müsste ich sie dann im Freien abstellen», seufzt Pilot Flippie Vermeulen bedauernd. Vor fünf Jahren flog er den Tiefdecker zum letzten Mal, sagt der frühere Leiter der mittlerweile aufgelösten historischen Abteilung von SAA. Deren Aktiva gingen an die am historischen Flughafen Rand beheimatete South-African-Airways-Museumgesellschaft - die zu wenig Hangar-Platz hat. Zwei ausgemusterte Boeing-Jumbos müssen daher schon im Freien stehen.
Vermeulen flog den historischen Wellblechflieger mehr oder weniger regelmässig - und nahm auch so einige deutsche Kapitäne im fliegenden Oldtimer mit. «Doch dann gab es zunehmend Probleme mit den Reifen», sagt Vermeulen, der im Laufe seiner Karriere von der einmotorigen Cessna bis zum vierstrahligen Jumbo so ziemlich alles flog, was Flügel hat. Sie besiegelten die Karriere des Nostalgiefliegers: «Wir mussten die Fliegerei einstellen, weil es keine passenden Reifen gab.» Zwar wurde noch ein Satz Originalreifen in Deutschland aufgetrieben, doch auch die nutzten sich schnell ab.
Die Betreiber suchten Rat bei der Deutsche-Lufthansa-Berlin-Stiftung, die lange mit ihrem Paradestück - der 1935 in Dessau gebauten Junkers Ju 52 mit dem Traditionskennzeichen D-AQUI - Nostalgieflüge anbot. Auch die Schweizer aus Dübendorf lieferten Input - sie hatten schon bei der Ausbildung der südafrikanischen Junkers-Piloten Entwicklungshilfe gegeben und verfügten noch über entsprechende Maschinen. Schliesslich wurde das Fahrgestell durch ein anderes ersetzt. Laut Vermeulen stiess das aber nur auf wenig Gegenliebe bei Südafrikas Luftfahrtbehörde.
«Unsere Luftfahrtbehörde hat einfach nur Angst, alte Flugzeuge wie die Junkers für Nostalgieflüge zuzulassen», glaubt der Direktor des SAA-Museums, John Austin-Williams. Zumal ein schwerer Unfall eines solchen Traditionsfliegers in der Schweiz diese Angst noch befeuert hat.
Damals - am 4. August 2018 - steuerten die Captains eine Ju-52 auf dem Weg von Locarno zurück nach Dübendorf beim Piz Segnas viel zu nahe an der Bergkante vorbei. Die Folge: Das Flugzeug krachte senkrecht in den Boden unterhalb des Segnespasses. Heute ist klar, dass die Piloten, die in den Bündner Alpen mit 18 weiteren Personen an Bord der Ju-52 abstürzten, die Kontrolle über das historische Flugzeug selbstverschuldet verloren. Das ging letzten Sommer aus einem noch unveröffentlichten Untersuchungsbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) hervor.
Allerdings, so muss auch der Direktor mit Hinweis auf einen mittlerweile 80 Jahre alten Museums-Mechaniker zugeben, fehle den vielen freiwilligen Helfern in den Wartungshallen des Museums inzwischen auch einfach die Expertise. Nach und nach gehe das Wissen verloren.
Und trotz Corona-Beschränkungen und damit ausbleibender Besucher-Einnahmen versucht Austin-Williams die Flugzeug-Sammlung finanziell über Wasser zu halten - da ist kein finanzieller Spielraum mehr für einen Hangar-Neubau.
Zuletzt war die Junkers im Jahr 2015 bei einer Flugshow am Rande von Johannesburg auf dem historischen Rand Airport, der mit seinem Art Déco-Abfertigungsgebäude einst das SAA-Hauptquartier war. Selbst Hollywood-Stars drehten hier - Hilary Swank und Richard Gere etwa. Auch die Traditionsmaschine spielte oft mit. «In dem Film "Cry, the Beloved Country" oder dem Film "African Express"», so Austin-Williams - der davon träumt, sein Museum um einen ausgemusterten Airbus A340 zu ergänzen und den dann in ein Hotel umzuwidmen.
Das Management der South African Airways hatte den Wellblechflieger einst mit Blick auf ihr anstehendes 50-jähriges Bestehen gekauft. Immerhin war die dreimotorige Junkers Ju 52 mal das Rückgrat der Kap-Airline: Die Fluggesellschaft hatte 1934, im Jahr ihrer Gründung, die ersten von 15 bestellten Maschinen aus Dessau in Empfang genommen - als eines der weltweit ersten ausländischen Flugunternehmen. Der als Jubiläumsmaschine gekaufte Tiefdecker dagegen wurde 1954 als Junkers-Lizenzbau in Spanien unter der Typenbezeichnung Casa 352 gebaut und flog bis 1972 für die dortige Luftwaffe, bevor er an einen englischen Sammler ging.
In Lemwerder wurde er im damaligen VFW-Werk zerlegt und in Containern in Südafrikas Hafen Durban verschifft, bevor es auf dem Landweg nach Johannesburg ging. Am 14. Januar 1984 gab ein Schweizer Flugkapitän dann den ersten südafrikanischen Piloten beim Erstflug nach der liebevollen Restaurierung die technische Einweisung auf dem Oldtimer. Schon damals waren die abgenutzten Reifen eine Art Achillesferse des Fliegers, notierte der Schweizer Pilot Georg Schilling später.