Amtsgeheimnis
Nationalratskommission gibt nach: Roger Köppels Immunität bleibt unangetastet – dafür droht Ausschluss aus Kommission

Der Zürcher SVP-Nationalrat soll das Kommissionsgeheimnis verletzt haben. Trotzdem sieht nun auch die nationalrätliche Kommission von der Aufhebung der Immunität ab. Damit droht Köppel keine Strafverfolgung mehr, sondern «nur» eine Disziplinarmassnahme.

Ann-Kathrin Amstutz
Drucken
Nationalrat Roger Köppel (SVP/ZH) wäre der erste amtierende Parlamentarier, dessen Immunität aufgehoben wird.

Nationalrat Roger Köppel (SVP/ZH) wäre der erste amtierende Parlamentarier, dessen Immunität aufgehoben wird.

Keystone

Es hätte die Zustimmung von beiden zuständigen Kommissionen gebraucht – sowohl jener vom Nationalrat als auch jener vom Ständerat. Nur dann hätte Nationalrat Roger Köppels (SVP/ZH) parlamentarische Immunität aufgehoben werden können. Hätte, denn wie am Montag bekannt wurde, ist dieses Thema nun definitiv vom Tisch.

Wie die Parlamentsdienste mitteilen, will in zweiter Lesung auch die nationalrätliche Immunitätskommission auf eine Aufhebung von Köppels Immunität verzichten. Der Entscheid fiel mit 4 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen, wie es in der Mitteilung heisst. Damit vollzieht die Kommission eine Kehrtwende – und lenkt in den Vorschlag der ständerätlichen Kommission ein.

Köppel habe die Position der Kommission «massiv geschwächt»

Die nationalrätliche Kommission begründet den Meinungsumschwung wie folgt: Man gehe zwar davon aus, dass Nationalrat Roger Köppel «mit dem direkten Zitieren aus einem als vertraulich klassifizierten Dokument das Kommissionsgeheimnis verletzt» und die Position der aussenpolitischen Kommission damit «massiv geschwächt» habe.

Doch man komme nun wie die Rechtskommission des Ständerats zum Schluss, dass das Interesse an einer Strafverfolgung durch die Bundesanwaltschaft sehr klein sei. Die Kommission schreibt:

«Bei der in Frage stehenden Verletzung des Kommissionsgeheimnisses sind in erster Linie das Parlament und insbesondere die parlamentarischen Kommissionen selbst die Geschädigten.»

Das Parlamentsrecht ermögliche bei einer Verletzung des Amtsgeheimnisses weitreichende Massnahmen gegen ein Ratsmitglied, heisst es weiter. Man erachte vorliegend eine «parlamentsinterne Sanktionierung als zielführender» und verzichte aufgrund dieser Überlegungen auf eine Aufhebung der Immunität von Nationalrat Roger Köppel.

Damit schliesst sich die Kommission dem Vorschlag der ständerätlichen Kommission an. Demnach wird das Büro des Nationalrats ersucht, gegen den SVP-Nationalrat eine Disziplinarmassnahme zu ergreifen. Dies umfasst die Möglichkeiten, einen Verweis zu machen oder einen bis zu sechs Monate dauernden Ausschluss aus einer Kommission zu beschliessen. Wie die Präsidentin der Immunitätskommission Aline Trede (Grüne/BE) auf Nachfrage von CH Media sagt, liegt die Entscheidung darüber nun beim Büro.

Warum die Kommission nun doch auf eine Aufhebung von Köppels Immunität verzichten will, begründet Trede wie folgt: «Die Kommission findet, es wäre nicht verhältnismässig, in dieser Sache den juristischen Weg zu gehen.» Dennoch handle es sich um eine klare Amtsgeheimnisverletzung: «Das möchten wir so festgehalten haben.»

Darum geht es im Fall Köppel

Hintergrund ist eine mutmassliche Amtsgeheimnisverletzung durch Roger Köppel. In einer Ausgabe der Internet-Sendung «Weltwoche Daily» von Ende März las der Verleger aus vertraulichen Dokumenten der aussenpolitischen Kommission vor. Dabei ging es um Uhren der Schweizer Firma Audemars Piguet im Wert von mehreren Millionen Franken, die in Moskau beschlagnahmt worden waren.

Die Aussenpolitische Kommission, der Köppel selbst angehört, reichte daraufhin wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses Strafanzeige ein. Auch die Bundesanwaltschaft sah einen «hinreichenden Tatverdacht» und bat die Immunitätskommission um Aufhebung des Schutzes vor strafrechtlicher Verfolgung.

Dagegen stellte sich jedoch die ständerätliche Rechtskommission. Zwar anerkannte sie den «unmittelbaren Zusammenhang zwischen der amtlichen Stellung und Tätigkeit» von Köppel und «der ihm vorgeworfenen Handlung». Die Kommission wollte aber nicht, dass sich die Bundesanwaltschaft mit dem Fall beschäftigen muss. Stattdessen seien Disziplinarmassnahmen gegen Köppel zu prüfen, so ihr Vorschlag.

Politiker und Journalist: eine heikle Doppelrolle

Der Fall Köppel ist in mehrerlei Hinsicht aussergewöhnlich. Noch nie wurde die parlamentarische Immunität eines amtierenden Ratsmitglieds aufgehoben. Doch Köppel wollte freiwillig auf seine Immunität verzichten, was jedoch rechtlich nicht möglich ist. Zudem hat Köppel als Nationalrat und zugleich Chefredeaktor sowie Verleger des Wochenmagazins «Weltwoche» eine heikle Doppelrolle inne.

Köppel argumentierte denn auch, er habe die Dokumente in seiner Funktion als Journalist erhalten, bevor sie ihm als Politiker zugestellt worden seien – somit liege keine Verletzung des Amtsgeheimnisses vor. Das sah die nationalrätliche Kommission jedoch anders: Ansonsten wären Parlamentsmandate und journalistische Berufe «per se nicht mehr vereinbar», begründete sie ihren Entscheid im Mai.

Unterlagen aus der Kommission sind vertraulich

Gemäss Parlamentsgesetz sind Kommissionssitzungen der eidgenössischen Räte vertraulich. Einerseits dürfen die Ratsmitglieder nicht bekannt geben, was Kolleginnen und Kollegen in den Sitzungen gesagt haben. Der Vertraulichkeit unterliegen aber auch die Protokolle und in der Regel die Unterlagen, die in den Sitzungen abgegeben werden. Besonders der letzte Punkt betrifft Köppel. Das von ihm publizierte Dokument soll explizit als vertraulich klassifiziert gewesen sein.