Schweiz – EU
Ständerat gibt grünes Licht für Kohäsionsmilliarde

Nach dem Scheitern des Rahmenabkommens möchte der Bundesrat die Kohäsionsmilliarde so rasch wie möglich freigeben. Der Ständerat hat dem Plan nun zugestimmt – wenn auch zähneknirschend.

Reto Wattenhofer
Drucken
Mit der Freigabe der Kohäsionsmilliarde möchte der Bundesrat die Beziehungen zur EU etwas kitten.

Mit der Freigabe der Kohäsionsmilliarde möchte der Bundesrat die Beziehungen zur EU etwas kitten.

Keystone

Nach dem Aus des Rahmenabkommens sucht der Bundesrat Wege, um der angeknacksten Beziehung zur Europäischen Union neuen Schwung zu verleihen. Sein Plan: Die blockierten Kohäsionsgelder sollen möglichst bald freigegeben werden. Das Parlament hatte 2019 beschlossen, die Gelder einzufrieren, solange diskriminierende Massnahmen der EU gegen die Schweiz in Kraft sind. Stein des Anstosses war der Entscheid der EU, die Gleichwertigkeit der Schweizer Börse (Börsenäquivalenz) abzuerkennen.

Nach dem Willen des Bundesrates soll diese Bedingung wieder rausgestrichen werden. Im Ständerat stiess das Vorhaben am Donnerstag kaum auf Widerstand. Die kleine Kammer sprach sich mit 30 zu 9 Stimmen für die Freigabe aus. Die Schweiz sende damit ein positives Signal an die EU aus für den künftigen politischen Dialog, argumentierte Matthias Michel (FDP/ZG) im Namen der Kommission.

«Schweiz verschiesst ihr Pulver»

Eine kleine Minderheit stellte sich grundsätzlich gegen die Freigabe. Der Bundesrat pokere zu hoch, kritisierte Thomas Minder (parteilos/SH). Die EU werde «nicht aufhören mit ihren Repressionen. Es wäre zu schön, wen dem so wäre.» Stattdessen verschiesse die Schweiz ihr Pulver. Auch Jakob Stark (SVP/TG) warnte davor, sich dem «Diktat der EU» zu beugen.

Pirmin Bischof (Die Mitte/SO) räumte ein, dass es keine Garantie dafür gebe, dass die EU bei blockierten Dossiers wie dem Forschungsprogramm «Horizon Europe» nachgebe. Ohne Kohäsionsmilliarde sei das jedoch ausgeschlossen. Bischof rief in Erinnerung, dass die Schweiz diesen Beitrag seit 2013 schulde.

Bundesrat fehlt Plan B

Bei den Befürwortern hielt sich die Begeisterung generell in Grenzen. «Wir befinden uns in einer aussichtslosen Situation», konstatierte Daniel Jositsch (SP/ZH). Der Bundesrat habe die Schweiz in eine «katastrophale Lage hineinmanövriert», weil er den Verhandlungstisch verlassen habe. Trotzdem brächten Schuldzuweisungen niemanden weiter.

Einig war sich die Mehrheit: Dem Bundesrat fehlt ein Plan B. «Wenn man Nein sagt, muss man auch eine Strategie haben», betonte Benedikt Würth (Die Mitte/SG). Seit dem Abbruch warte das Parlament auf deren Inhalt. Stattdessen laute die Devise: «kommunizieren, beruhigen, stillhalten, neu starten.»

«Vergangenheitsbewältigung»

Aussenminister Ignazio Cassis versicherte, diese Diskussionen seien wichtig. «Wir sind alle mit der Vergangenheitsbewältigung beschäftigt.» Mit dem politischen Dialog trete man nun in eine neue Phase. Nicht geändert habe sich die Zielsetzung: «Die Schweiz will stabile und geregelte Beziehungen mit der EU.» Bei der Freigabe der Kohäsionsmilliarde dränge die Zeit. Je später diese erfolge, desto weniger liessen sich die eigenen Verpflichtungen einhalten, betonte Cassis.

Der Ständerat hatte es dagegen nicht so eilig. Sein Ratsbüro sprach sich im Sommer gegen ein dringliches Verfahren aus – also dass beide Räte die Kohäsionsmilliarde in der Herbstsession behandeln. «Wir lassen uns im Ständerat nicht drängen», sagte damals Ständeratspräsident Alex Kuprecht (SVP/SZ). Es war dann wohl kein Zufall, dass die Beratung über die Kohäsionsmilliarde auf den zweitletzten Sessionstag gelegt wurde.

Im Nationalrat erhitzte dieses Vorgehen die Gemüter. Weil es der grossen Kammer nicht rasch genug geht, beschloss sie Anfang Woche kurzerhand, die Vorlage noch am Donnerstagabend zu beraten. Damit könnte das Parlament die Kohäsionsmilliarde bereits in dieser Session freigeben.

Die Rahmenkredite hatten National- und Ständerat im Grundsatz bereits 2019 genehmigt: 1047 Millionen Franken sollen in den dreizehn neueren EU-Staaten eingesetzt werden, um wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten zu verringern. 190 Millionen Franken gehen auch an andere EU-Staaten, die von Migration stark betroffen sind. 65 Millionen Franken berechnet die Verwaltung für den eigenen Aufwand.