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Psychischer Druck und Vetternwirtschaft: Mehrere Synchronschwimmerinnen greifen ihren Verband frontal an. Die Missstände haben bereits den ersten Rücktritt gefordert.
Im Schweizer Leistungssport kehrt keine Ruhe ein. Die Verfehlungen seitens zahlreicher Trainerinnen und Trainer im Turnverband sind in den Köpfen weiter präsent, da wird die Szene bereits von einem neuerlichen Skandal heimgesucht. Nun sind es Synchronschwimmerinnen, die den Schweizer Schwimmverband mit schwerwiegenden Vorwürfen eindecken.
In einem Beitrag der SRF-Nachrichtensendung «10 vor 10» kamen am Montag zahlreiche Athletinnen zu Wort – und nahmen kein Blatt vor den Mund. «Ich habe das Gefühl, in dieser Welt bist du kein Mensch», sagte die 23-jährige Joelle Peschl, die ein «Klima der Angst» beschrieb. Die Athletinnen hätten Beschimpfungen, Drohungen, anzügliche Bemerkungen sowie Essverbote über sich ergehen lassen müssen.
Auch Vetternwirtschaft habe zur Tagesordnung gehört. Eine Richterin habe ihnen mal gesagt: «Es tut mir leid, ihr wart klar besser. Aber ich musste für die anderen richten.» Und dort habe sie als Schwimmerin ihre Welt nicht mehr verstanden, klagte Peschl. Sie hatte bis zum letzten Sommer dem besten Schweizer Synchronschwimm-Duett angehört, hat dem Leistungssport inzwischen aber den Rücken gekehrt.
Die 19-jährige Ladina Lippuner, die die Schweizer Farben unlängst an der Schwimm-EM in Budapest vertreten hatte, beschrieb derweil ein «Chaos» im Verband, der seinen Sportlerinnen und Sportlern maximale Flexibilität abnötigt. Man wisse nie genau, «wann die nächsten Trainingslager stattfinden. Man muss sich immer spontan auf etwas einstellen, einfach mitmachen.»
Ein verbandsinternes Dokument, das dem SRF-Investigativteam vorliegt, erhärtet all diese Anschuldigungen. Das «Chaos» wird im Papier ebenso beanstandet wie das «katastrophale Niveau bei den Richtern». Dass dem Schwimmverband ein «Klima der Missgunst» offenbar schon länger bekannt ist, wie laut SRF aus einem Schreiben vom vergangenen Sommer hervorging, nennenswerte Massnahmen bis anhin aber ausgeblieben sind, rückt den Verband in kein gutes Licht.
Die Co-Sportdirektion der Abteilung «Artistic Swimming» wies die Beschuldigungen zwar prompt zurück. Das aus Markus Thöni und Patricia Fahrni hat sich infolge der Recherchen aber zum Rücktritt genötigt gesehen. Die ungemütliche Aufarbeitung beginnt erst jetzt, wiewohl der Verband das Synchronschwimm-Departement seit Mai unter die Lupe nimmt. «Aufgrund des Rücktritts können wir jetzt unbelastet der vorherigen Geschichten und aufgrund der Empfehlungen, die uns der Bericht liefern wird, die Sportart hoffentlich neu strukturieren, neu aufstellen», sagte Verbandspräsident Ewen Cameron. Die Vorkommnisse täten ihm leid, «ich habe einfach kein Verständnis für sowas.» Ansetzen wolle er etwa bei Trainerausbildungen.