Berufliche Vorsorge
Pensionskassen schmelzen gerade die Reserven weg: Das sind die Gründe

Die finanzielle Lage der Pensionskassen hat sich seit Jahresbeginn stark verschlechtert. Heute könnten 285 Vorsorgeeinrichtungen ihre Verpflichtungen nicht mehr wahrnehmen. Alles andere als rosig sind auch die weiteren Aussichten.

Reto Wattenhofer
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Die Reserven der Pensionskassen schrumpfen. Das könnte einschneidende Folgen für Arbeitnehmende haben.

Die Reserven der Pensionskassen schrumpfen. Das könnte einschneidende Folgen für Arbeitnehmende haben.

Keystone

Noch im Mai schien die Pensionskassenwelt in Ordnung: Die durchschnittliche Rendite der Vorsorgeeinrichtungen habe sich 2021 von 4,4 auf 8 Prozent fast verdoppelt, frohlockte die Oberaufsicht Berufliche Vorsorge (OAK BV). In der am Donnerstag publizierten Mitteilung zur Halbjahresbilanz ist die Zuversicht Sorge gewichen.

Grund ist die finanzielle Lage der Pensionskassen in der Schweiz. Sie hat sich seit Jahresbeginn «signifikant verschlechtert», wie die Oberaufsicht schreibt. Dabei stützt sie sich auf eine Hochrechnung von 1324 Pensionskassen. Das Fazit: In fast allen Anlagekategorien sind die Renditen in der ersten Jahreshälfte ins Minus gekippt. Im Schnitt beträgt diese stolze -12,3 Prozent.

Deckungsgrad sinkt deutlich

Die Gründe dafür sind nicht überraschend: «Inflationsdruck, Zinsanstieg, gestörte Lieferketten, Energiekrise, Ukraine-Krieg sowie die Covid-19-Pandemie in China», bringt die Oberaufsicht der Pensionskassen in der Schweiz das erste Halbjahr auf den Punkt. Einmal mehr zeigt sich auch: Kurseinbrüche an den Märkten wirken sich rasch und einschneidend auf die finanzielle Lage der Pensionskassen aus.

Eine negative Rendite birgt grosse Risiken: Der durchschnittliche Deckungsgrad der Pensionskassen sinkt. Seit Jahresbeginn ist dieser von 118,5 Prozent auf 103,4 Prozent gesunken. Allerdings gibt die Oberaufsicht zu bedenken, dass die Hochrechnung die Entwicklung «eher überschätzt», da der deutliche Zinsanstieg nicht miteingeflossen ist.

Kein Alarmismus, aber ...

Trotzdem ist die finanzielle Situation alles andere als rosig. 285 Pensionskassen befinden sich aktuell rechnerisch in Unterdeckung. Das heisst: Bei diesen Einrichtungen wären die Pensionskassengelder aktuell nicht zu 100 Prozent gedeckt. Aufhorchen lässt der Anstieg auch, weil Ende 2021 erst 13 Vorsorgeeinrichtungen eine Unterdeckung aufwiesen.

Die neueste Hochrechnung ist aber kein Grund für Alarmismus. Pensionskassen müssten auch «periodische Unterdeckungen in Kauf» nehmen, schreibt die Oberaufsicht. Besonders wertvoll sei, dass die Vorsorgeeinrichtungen über genügend hohe Wertschwankungsreserven verfügten. Dadurch seien sie in der Lage, Verwerfungen auf den Kapitalmärkten abzufedern. Zur Zukunft wagt die Oberaufsicht dennoch keine Prognose. Die künftigen Entwicklungen der Finanzmärkte seien «schwer abzuschätzen», schreibt die OAK BV.