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Nach den Skandalen um Greensill und Archegos: Roche-Chef Severin Schwan verabschiedet Urs Rohner als Präsident der Credit Suisse. Rohner wandte sich in einer Schlussrede nochmals mit deutlichen Worten an die Mitarbeitenden.
Urs Rohner führte gewohnt nüchtern durch seine letzte Generalversammlung als Präsident der Credit Suisse. Diese Nüchternheit hatte ihm in seinen Jahren als Präsident oftmals Kritik eingebracht. Er lasse Kritik einfach an sich abprallen, als hätten die Rückschläge für seine Bank nichts mit ihm zu tun. Hinter den Kulissen sei jedoch ein ganz anderer Urs Rohner zu beobachten.
Das sagte CS-Verwaltungsrat und Roche-Chef Severin Schwan in einer Verabschiedungsrede für Urs Rohner. Der Chef des Pharmakonzerns Roche betonte, Rohner habe sich voll für die Credit Suisse engagiert und buchstäblich Tag und Nacht für sie gearbeitet. Doch sein Abschied werde nun überlagert von zwei grossen Skandalen, was Schwan sehr bedauere:
«Lieber Urs, wir alle hätten Dir einen anderen Abschied gewünscht.»
Am Schluss wandte sich Urs Rohner nochmals an Kunden, Kundinnen und Mitarbeitende. «Wir haben Sie enttäuscht und dies leider nicht zum ersten Mal. Dafür entschuldige ich mich.» Er sei sich bewusst, dass es vor allem die Mitarbeitenden seien, die den Ärger der Kundschaft über die erneuten Skandale zu spüren bekämen. Er selbst sehe in der letzten Verantwortung ganz klar das Management und den Verwaltungsrat.
Zuletzt sprach Rohner nochmals die letzten beiden Skandale direkt an. An die Mitarbeitenden gewandt, sagte er:
«Ich verstehe, dass Sie wütend und enttäuscht sind. Ich bin es ehrlich gesagt auch.»
Die Generalversammlung selbst verlief ohne überraschende Wendungen. Einzig die Wahlergebnisse einiger Verwaltungsräte waren vergleichsweise schwach. Roche-Chef Severin Schwan kam beispielsweise nur auf einen Ja-Stimmen-Anteil von 84 Prozent. Dennoch brachte der Verwaltungsrat alle seine Anträge durch. Dieser reibungslose Ablauf inmitten zweier Skandale hatte einen simplen Grund: Der Verwaltungsrat um Urs Rohner sowie die Geschäftsleitung um Thomas Gottstein hatten die teils massive Kritik schon zuvor aufgenommen.
Rohner verzichtete auf einen Teil seines Lohnes für 2020. Bei der Geschäftsleitung wurden die variablen Vergütungen für das Jahr 2020 ausgesetzt. Erst wenn die jüngsten Skandale aufgearbeitet sind, soll über diese Boni-Zahlungen entschieden werden. Und Rohner tritt nach dieser Generalversammlung ohnehin zurück. Er hat die maximale Amtszeit erreicht, die er einst selbst festschreiben liess. Und schliesslich hatte Andreas Gottschling heute Morgen seinen Rücktritt bekanntgegeben.
Gottschling tritt nicht mehr erneut als Verwaltungsrat der Credit Suisse an. Kurz vor der Generalversammlung vom Freitag teilte die Grossbank in einem kurzen Statement mit, Gottschling habe seine Kandidatur zurückgezogen. Durch den Rückzug von Gottschling werde das Traktandum seiner Wahl «obsolet», schreibt die CS weiter.
Er war Vorsitzender des Risikoausschusses des CS-Verwaltungsrats und deswegen in die Kritik geraten. Mehrere Investorengruppen hatten angekündigt, dass sie Gottschling im Nachgang der Skandale um Greensill und Archegos nicht erneut wählen wollten. Diese Drohkulisse hat nun ganz offensichtlich gewirkt. Alleine die Pleite von Archegos hat die Bank mehrere Milliarden Franken gekostet. Der Deutsche Mathematiker sass seit 2017 im Verwaltungsrat der CS.
Auch andere Verwaltungsräte stehen in der Kritik der Aktionäre: So wollte etwa der norwegische Staatsfonds gegen die Wiederwahl von Roche-Chef Severin Schwan stimmen. An der Generalversammlung stand zudem die Nachfolge von Urs Rohner auf der Traktandenliste. Sein Nachfolger wird nun António Horta-Osório. Auch er sprach die jüngsten Skandale in seiner Rede an.
«Die Umstände, unter denen dieser Stabwechsel stattfindet, hätte sich natürlich niemand von uns gewünscht», sagte Horta-Osório. Er sprach einige nette Worte zur Geschichte. Dann liess er eine klare Warnung folgen:
«Einen guten Ruf muss man sich über Jahre erarbeiten, aber ernsthaft gefährden kann man ihn buchstäblich über Nacht.»
Horta-Osório versuchte erst gar nicht, die aktuelle Krise schön zu reden. Er habe zwar in seiner Karriere schon viele Krisen miterlebt. «Doch das war sicher nicht zu vergleichen mit dem, was bei der Credit Suisse in den letzten acht Wochen geschehen ist.» Und natürlich will er nun gründlich über die Bücher gehen. Das muss er wohl auch. Sonst hat er womöglich bald den nächsten Skandal am Hals.