Freisinnige klar gegen SVP-Selbstbestimmungsinitiative

Die Schweizer Freisinnigen sind gegen die Selbstbestimmungsinitiative der SVP. Die FDP-Delegierten haben am Samstag in Pratteln BL nach einer kontradiktorischen Präsentation sehr deutlich die Nein-Parole beschlossen.

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Klare Absage an die SVP-Selbstbestimmungsinitiative: Eine hochgereckte Stimmkarte an der Delegiertenversammlung der FDP in Pratteln BL. (Bild: KEYSTONE/GEORGIOS KEFALAS)

Klare Absage an die SVP-Selbstbestimmungsinitiative: Eine hochgereckte Stimmkarte an der Delegiertenversammlung der FDP in Pratteln BL. (Bild: KEYSTONE/GEORGIOS KEFALAS)

(sda)

Bundesrat Ignazio Cassis votierte gegen das Volksbegehren, indem er Vorteile des Völkerrechts anführte. Er verwies auf den Sitz mehrerer Internationaler Organisationen in Genf, was auch ein Gewinn sei.

Der Automatismus der Initiative schränkt laut Cassis die Selbstbestimmungsmöglichkeiten ein; die Schweiz würde abhängig von der Position andere Länder. Ihre Verhandlungsposition würde geschwächt. Stabile und berechenbare Beziehungen seien für die Schweizer Volkswirtschaft zentral.

Direkte Demokratie

Für die Initiative warb der Zürcher SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt. Er führte den Schweizer Wohlstand und die Offenheit des Landes auf die direkte Demokratie zurück. Liberale sollten auf die Bürgerinnen und Bürger hören, auch wenn sie anders entscheiden als man selber.

Direkte Demokratie erlaube auch Kurswechsel, wenn sich die Verhältnisse geändert haben. Parlament und Gerichte hätten dies in den letzten Jahren eingeschränkt, mahnte Vogt vor der FDP-DV.

Die Bundesräte Johann Schneider-Ammann (links) und Ignazio Cassis an der DV der FDP (Bild: Georgios Kefalas / Keystone (Pratteln, 29. September 2018))

Die Bundesräte Johann Schneider-Ammann (links) und Ignazio Cassis an der DV der FDP (Bild: Georgios Kefalas / Keystone (Pratteln, 29. September 2018))

Die Waadtländer FDP-Nationalrätin Isabelle Moret konterte, bei der Annahme der Selbstbestimmungsinitiative würde die Schweiz zu einer unzuverlässigen Partnerin. Rund 600 Verträge, die internationale Spielregeln zum Nutzen der Schweiz sichern, wären bedroht. Moret warnte zudem vor einem «Bürokratiemonster» für den Vollzug.

10 Ja-Stimmen

In einer Podiumsdikussion bat Vogt um das Recht, sich Sorgen um das Land machen und anders entscheiden zu dürfen. Das EU-Recht würden im Streitfall EU-Richter auslegen; die Schweiz müsse es dann so vollziehen. FDP-Ständerat Andrea Caroni warnte, nach einer Annahme blieben unzählige Fragen offen, welches Recht denn gelte.

Die FDP liess sich vom SVP-Gast nicht überzeugen und fasste mit 293 gegen 10 Stimmen bei 7 Enthaltungen die Nein-Parole. Damit folgten die FDP-Delegierten ihrer Parteipräsidentenkonferenz der kantonalen Sektionen, die ihrerseits einstimmig empfohlen hatte, abzulehnen.

Nein-Parolen gegen die Selbstbestimmungsinitiative hatten zuvor bereits EVP und BDP gefasst. Die SVP als Urheberin ist dafür.

Sie strahlen an der DV der FDP: Parteipräsidentin Petra Gössi (links) und Bundesrat Johann Schneider-Ammann (Bild: Georgios Kefalas / Keystone (Pratteln, 29. September 2018))

Sie strahlen an der DV der FDP: Parteipräsidentin Petra Gössi (links) und Bundesrat Johann Schneider-Ammann (Bild: Georgios Kefalas / Keystone (Pratteln, 29. September 2018))

Urnengang im November

Über die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» entscheidet das Stimmvolk am 25. November. Die SVP verlangt, dass die Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht immer Vorrang hat - unter dem Vorbehalt der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Die SVP will, dass angenommene Volksinitiativen wortgetreu umgesetzt werden müssen, auch wenn sie Völkerrecht verletzen. Wird eine Initiative angenommen, die in gewissen Punkten mit einem internationalen Vertrag nicht vereinbar ist, dürfte die Schweiz diesen Vertrag nicht mehr anwenden - es sei denn, er unterstand dem Referendum. Sie müsste den Vertrag neu verhandeln und nötigenfalls kündigen.

Schweizer FDP klar für Sozialdetektive

Die Schweizer Freisinnigen haben beim Referendum gegen Sozialdetektive die Ja-Parole zum Gesetz ausgegeben. Die FDP-Delegierten beschlossen diese am Samstag in Pratteln BL mit 246 gegen 26 Stimmen bei 14 Enthaltungen.

Das Gesetz zur Überwachung von Sozialversicherten, das am 25. November an die Urne kommt, war vom Bundesparlament im März verabschiedet worden. Es ermöglicht Sozialversicherungen, Versicherte bei Verdacht auf Missbrauch durch Detektive observieren zu lassen. Die Regeln gelten für die Invalidenversicherung (IV), die Unfall-, die Kranken- und die Arbeitslosenversicherung.

Vor den freisinnigen Delegierten machte sich der Grünliberale Benjamin Gautschi vom Referendumskomitee gegen die Revision stark. Es sei ein "illiberales Gesetz", das die Privatsphäre unnötig tangiere und in den Überwachungsstaat führe. Missbrauch lasse sich via Strafverfolgung bereits ausreichend bekämpfen.

Der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod konterte, die neuen Rechte gälten für die Sozialversicherungen, nicht private Versicherungen. Man solle nicht den Teufel an die Wand malen, das Volk wolle bei diesen Institutionen keinen Betrug. Ins Schlafzimmer sähen deren Spione nur, wenn ohnehin alle hineinsehen könnten.

Präventionswirkung

In der kurzen Diskussion warf die Luzerner Delegation ein, mit Versicherungsdetektiven gute Erfahrungen gemacht zu haben. Die bestrittenen Summen seien weit höher als die Kosten, und die präventive Wirkung sei nicht zu unterschätzen. Zweifel klangen aus Solothurn an, deren Delegation auf das bestehende Strafrecht verwies.

Lanciert worden war das Referendum gegen den Gesetzesbeschluss von einer Bürgerinnen- und Bürgergruppierung. Gegner kritisieren insbesondere eine grobe Verletzung der Privatsphäre. Der "Schlüsselloch"-Paragraph etwa erlaube die Überwachung von frei einsehbaren Privaträumen. Zudem könnten die Versicherungen selber entscheiden, wen sie durch Privatdetektive beschatten. Dies gebe ihnen mehr Rechte als der Polizei.

Mit der deutlichen Ja-Parole folgten die FDP-Delegierten am Samstag ihrer Kantonalpräsidentenkonferenz, die ihrerseits fast einstimmig Zustimmung empfohlen hatte. Für das Sozialdetektive-Gesetz hatten sich zuvor bereits die BDP und die SVP ausgesprochen. Die SP hat die Nein-Parole ausgegeben.