Mit Gewinnversprechen hat ein Werbefahrt-Organisator 1300 Haushalte angeschrieben. Auf Kaffeefahrten wurde den «Gewinnern» Produkte zu überhöhten Preisen angeboten. Die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte von Uri, Nid- und Obwalden hat gegen den Mann Anklage erhoben. Nun wird Anklage wegen unlauteren Wettbewerbs erhoben.
«Gratulation, Sie haben gewonnen!» Die bunten Wettbewerb-Talons mit den grossartigen Gewinnversprechen kennt wohl jeder. Solche Papiere landen in regelmässigen Abständen in den Briefkästen von deutschschweizer Haushalten. Die vermeintlichen Gewinner sind dabei sogar auch Leute, die nie an einem Wettbewerb teilgenommen haben.
Weil es in der Regel nirgendwo einfach etwas gratis gibt, ist bei solchen Angeboten aber äusserste Vorsicht angesagt. Die farbigen Wettbewerbs-Zettel mit Überschriften wie «Freizeit und Reisen» oder «Spezialitätenland» dienen nämlich alleine dem Zweck, die Adressaten zu einer Werbefahrt zu locken und ihnen anlässlich einer Verkaufsveranstaltung das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Gegen einen Organisator von solchen unzulässigen Werbefahrten hat die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte der Kantone Nidwalden, Obwalden und Uri am 21. September am Landgericht Uri Anklage erhoben, wie Damian Graf, der zuständige Staatsanwalt und Verfahrensleiter, gestern den Medien mitteilte.
Der Beschuldigte, ein 44-jähriger Mann aus der Schweiz, soll zwischen 2012 und 2016 in mindestens 1 300 Fällen Wettbewerbs-Talons und Gewinnversprechen an Schweizer Haushalte, in denen vorwiegend ältere Personen wohnen, verschickt haben. Den Leuten wurden Preise, Geschenke oder Gratisleistungen versprochen, die sie an Freizeitveranstaltungen oder Gewinnfeiern entgegennehmen dürften. «Allerdings wurden die Angeschriebenen dadurch vielmehr zur Teilnahme an Werbefahrten gelockt, an denen Produkte zu überhöhten Preisen angeboten wurden», beschreibt Graf die Machenschaften des Beschuldigten.
«Der Mann hat sich als mutmasslicher Drahtzieher stets im Hintergrund aufgehalten und sich hinter Strohmännern sowie wechselnden Firmenbezeichnungen versteckt», so der Verfahrensleiter.
Die Staatsanwaltschaft konnte im Rahmen ihrer Untersuchung auf die Unterstützung der Kantonspolizei Uri sowie des Kommissariats Wirtschaftspolizei der Stadt Zürich zählen. Auslöser dieses Strafverfahrens waren Strafanträge des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), einer Konsumentenschutzorganisation sowie diverser Privatpersonen.
«Dabei wurden acht Hausdurchsuchungen durchgeführt. Ausserdem wurden rund 300 Personen, die solche Gewinnversprechen erhalten oder an den Kaffeefahrten teilgenommen hatten, schriftlich kontaktiert oder als Zeugen einvernommen», sagt Damian Graf. Im Zusammenhang mit den Untersuchungen wurden gegen zahlreiche weitere Personen Strafbefehle eröffnet. Diese sind inzwischen alle abgeschlossen. Laut Graf handelte es sich bei den Strohmännern um Kleine Fische.
Der beschuldigte mutmassliche Haupttäter gehört jedoch nicht zu dieser Sorte. «Der Mann hat die Werbefahrten gemäss Anklage systematisch und regelmässig durchgeführt, ein kleiner Fisch ist er definitiv nicht», beschreibt Graf den Beschuldigten, der sich zwischen Februar und Juni 2016 in Untersuchungshaft befunden hatte.
Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)sieht für dieses Vergehen eine Freiheitsstrafe von maximal 3 Jahren oder eine Geldstrafe vor. Weil der Beschuldigte systematisch und wiederholt solche Fahrten durchführte, könnte ihm sogar eine Strafe von höchstens 4,5 Jahren blühen.
Welche Strafe auf den Beschuldigten wartet, ist noch völlig offen. Die Anklage hält sich mit Informationen diesbezüglich zurück. «Die Höhe des Strafantrags gibt die Staatsanwaltschaft erst am Verhandlungstag bekannt», sagt Damian Graf. Und auch wann das Urner Landgericht die Verhandlung ansetzen wird, steht noch nicht fest. Das zusammengestellte Beweismaterial ist umfangreich und dürfte die Richter über einen längeren Zeitraum beschäftigen. Die Urner Richter müssen sich durch 50 Bundesordner arbeiten. Dieses Jahr wird die Verhandlung nicht mehr auf die Traktandenliste gesetzt.
Die Staatsanwaltschaft warnt vor sogenannten Kaffeefahrten. «Sie sind ein schweizweit bekanntes und viel diskutiertes Phänomen. Trotzdem verhallen die Warnungen der Konsumentenschutzorganisationen und des Staatssekretariats für Wirtschaft allzu oft ungehört», wird Damian Graf in der Medienmitteilung zitiert. Besondere Vorsicht sei geboten, wenn man Gewinnschreiben im Briefkästen vorfinde, die auf angebliche Wettbewerbe verweisen, an denen man gar nicht teilgenommen hatte.